Unternehmer, Manager und Mitarbeiter bemühen sich stets redlich die Kosten im Unternehmen zu senken. Auf der Suche nach möglichen Potenzialen sind dem Ideenreichtum kaum Grenzen gesetzt. Teilweise werden sehr komplexe Methoden und Werkzeuge aus dem Logistikmanagement eingesetzt, um auch noch den letzten Cent zu lukrieren. So werden beispielsweise im Bereich des Handels die Beschaffungsmengen mit Hilfe der sehr bekannten „optimalen Losgrößenrechnung“ (Economic Order Quantity – EOQ) optimiert.
Wie funktioniert die EOQ?
Das Handelsunternehmen ermittelt seine relevanten Kostensätze für den Beschaffungsvorgang und für die Lagerhaltung. Für die Beschaffung fallen typischerweise fixe Rüstkosten – unabhängig von der Losgröße – an und im Bereich der Lagerwirtschaft sind die wichtigsten Kostentreiber der Stückpreis der Ware, der Kostensatz für den Lagerplatz und die Finanzierungskosten der Bestände. Und so erhält das Unternehmen eine feste Bestellmenge, bei der die Beschaffungs- und Lagerhaltungskosten minimiert sind.
Die isolierte Sicht der Unternehmen
Wir wollen das anhand eines einfachen Praxisbeispiels zeigen:
Nehmen wir an, das Handelsunternehmen hat für eine bestimmte Ware (zB. Leberpasteten) eine EOQ von 15.000 Stück ermittelt und bestellt diese – aus der isolierten Sicht des Händlers – kostenoptimale Menge beim Hersteller. Der Hersteller freut sich über den umfangreichen Rahmenauftrag für die nächsten Jahre, wobei die optimalen Bestellmengen sukzessive abgerufen werden. Die EOQ wird vom Hersteller regelmäßig nach Abruf durch den Händler direkt an das vereinbarte Zentrallager des Handelsunternehmens geliefert.
Der unglückliche Hersteller
Obwohl der Hersteller einen umfangreichen Rahmenauftrag mit festen Bestellmengen erhalten hat, ist er nicht restlos glücklich. Warum?
Auch der Hersteller hat von seinen Logistikern seine – aus seiner isolierten Sicht optimale – EOQ berechnen lassen, mit ebenso penibler und umfangreicher Überlegung und kommt zum Ergebnis, dass seine EOQ ca. 12.000 Stück betragen würde. Aus Rücksicht auf einen möglichen – nachträglichen – Auftragsverlust informiert der Hersteller seine Problemstellung nicht dem neuen Abnehmer. Der Hersteller weiß, dass die Übernahme kleinerer Bestellmengen durch den Händler für den Händler freilich nachteilig wäre. Der Hersteller geht – unausgesprochen – davon aus, dass auch der Händler seine EOQ penibel und umfangreich ermittelt hat.
Was sagt der Supply Chain Manager?
In unserem typischen Praxisbeispiel befinden sich sowohl der Händler als auch der Hersteller noch in der alten Welt der isolierten Sicht der Unternehmungen. Jeder versucht im Rahmen seines Unternehmens ein Optimum zu finden. Niemand sieht über den Tellerrand hinaus. Jeder kann sich nur ein Nullsummenspiel vorstellen: Der Vorteil des einen ist der Nachteil des anderen..
Das verlorene Geld, das niemand sucht
All die Denkmuster der oben angeführten isolierten Sichtweise der Unternehmen suchen ihr verlorenes Geld überhaupt nicht. Denn sie wissen nicht, dass sie Geld verlieren, wenn sie so handeln wie sie das über Jahrzehnte gewohnt waren zu tun:
Das verlorene Geld ist nicht deswegen verloren, weil es niemand findet, sondern weil es niemand sucht. Der Supply Chain Manager zeigt mit Überblick und Souveränität, dass die Kooperation von Händler und Hersteller in den allermeisten Fällen zu einer unternehmensübergreifenden optimalen EOQ führt. In unserem konkreten Praxisfall wird die optimale Bestellmenge – EOQ unternehmensübergreifend neu berechnet. Die lukrierten Kostenvorteile des einen werden über Mengenrabatte für den anderen, der die Kostennachteile erleidet überkompensiert. Ein Win-Win-Spiel. Der Vorteil des einen ist der Vorteil des anderen.
Die Neue Welt
Die Neue Welt – die Welt des Supply Chain Managements ist der permanente Versuch – durch gemeinsames Abstimmen der Schnittstellen entlang der Lieferkette – gemeinsame Vorteile für alle Beteiligten, einschließlich des finalen Kunden, des Konsumenten zu erzielen. Die Vorteile, die sowohl Händler als auch Hersteller durch gemeinsames Handeln erzielen, werden auch in der Praxis des Supply Chain Managements letztendlich dem globalen Konsumenten zur Gänze vergütet. Warum? Weil die Unternehmungen der gleichen Stufe miteinander in einem harten globalen Wettbewerb stehen und daher das gefundene Geld letztlich dem Konsumenten gutgeschrieben wird.
Suchen Sie gemeinsam das verlorene Geld, sonst findest es jemand anders!
© Ernst Kurzmann & Erwin Langmann
Über die Autoren : Ernst Kurzmann, MBA ist als Unternehmensberater und Wirtschaftstrainer in den Fachgebieten Exportwirtschaft, Logistik und Supply Chain Management tätig. Mag. Erwin Langmann arbeitet für einen Transportversicherer und ist nebenberuflich als Trainer im Fachgebiet Logistik tätig. Web: www.ernstkurzmann.at
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