Scrum, das Führen ohne Weisungsbefugnis, wird heute von immer mehr Unternehmen praktiziert. Der Begriff stammt ursprünglich aus dem Rugby und bezeichnet das Gedränge der Spieler um den Ball. Von dort wurde er in die Software-Entwicklung übernommen. Er beschreibt die Vorgehensweise beim Verbessern von Software-Produkten. Man legt ein Ziel fest, nicht jedoch die Art, wie es erreicht werden soll. Um dorthin zu gelangen, arbeitet man sich einfach weiter voran.
Heute sind es vor allem junge Unternehmen der IT-Branche, die mit diesem speziellen Führungsstil arbeiten (und Erfolg haben). Die Scrum-Konzeption setzt die Grundgedanken des Lean Management um: Weniger Planung und Bürokratie bewirken eine schnellere Produkt-Entwicklung.
Wie Scrum funktioniert
Scrum, das auch als agiles Management oder laterales Führen bezeichnet wird, unterscheidet sich von der auch heute noch in vielen modernen Unternehmen herrschenden strengen Hierarchie mit ihren verschiedenen Weisungsbefugnissen. An die Stelle starrer Regeln und autoritären Führungsverhaltens treten Flexibilität, schnelles Handeln und gute kollegiale Zusammenarbeit in kleineren Teams.
Der Fortschritt des gemeinsamen Projekts ist stets für alle Mitarbeiter klar nachvollziehbar, da man sich täglich unbürokratisch miteinander abstimmt (adaptives Planen).
Wer in seinem Unternehmen nach Scrum arbeitet, vertraut auf die Fachkompetenz und die Erfahrung der einzelnen am Projekt beteiligten Mitarbeiter und räumt ihnen größere Freiheiten bei der Durchführung der Aufgaben ein. Scrum-Projekte haben nur wenige und einfache Regeln, die das Erreichen der Zielvorgabe sicherstellen. Voraussetzung für eine erfolgreiche Zusammenarbeit ist, dass das Scrum-Team interdisziplinär zusammengesetzt ist und über eine gute Fähigkeit zur Selbstorganisation und zum verantwortungsbewussten Arbeiten verfügt.
Der Scrum-Master sorgt für die Einhaltung der wenigen Scrum-Regeln. Er fungiert als Moderator, Berater und Helfer seines Teams und vertritt es nach außen. Er beseitigt Probleme, die das Team am Arbeiten hindern und beschafft ihnen die dafür benötigten Ressourcen.
Das Scrum-Team besteht aus 5 bis 10 Mitgliedern mit unterschiedlichen Kompetenzen und Rollen. Alle haben dieselben Rechte und Pflichten und organisieren sich ihren Arbeitsalltag selbst.
Der Auftraggeber (Kunde) gibt die Produktidee vor und definiert damit das Ziel, das es zu erreichen gilt. In den täglichen Scrum-Meetings berichtet jedes Team-Mitglied über das bisher Erreichte und benennt eventuelle Schwierigkeiten, um die sich der Scrum-Master dann zu kümmern hat. Es verkündet, welche Aufgabe es bis zum nächsten Meeting erledigt haben wird.
Das Voranschreiten der Projekt-Arbeit wird im Burndown-Chart schriftlich festgehalten, der an sichtbarer Stelle ausgehängt wird. Am Ende jedes Arbeitsschritts lässt sich der Scum-Master die bisherigen Ergebnisse vom Auftraggeber absegnen. Scrum ist am besten für Projekte und kleinere Unternehmen geeignet, die die Entwicklung einer neuen Technologie oder eines Produkts/einer Dienstleistung zum Ziel haben.
Spotify: Scrum ist oberstes Gebot
Der weltweit größte Musik-Streaming-Anbieter setzt seit seiner Gründung auf die Prinzipien des lateralen Führens. Wie bei anderen Scrum-Unternehmen auch besteht seine Hierarchie nur rein formal. Der Spotify-Gründer Daniel Ek erwartet von seinen Teams, dass sie nicht fragen, sondern handeln und so mit ihren innovativen Ideen das Unternehmen voranbringen.
Der Erfolg von Spotify gibt ihm Recht: Das insgesamt 4 Milliarden Euro schwere Unternehmen verfügt inzwischen schon über ein Viertel zahlender Kunden, die das Premium-Paket in Anspruch nehmen. Bedeutende Musik-Labels und Wirtschaftsgiganten sind Anteilseigner. Ek verlässt sich auf die Kompetenz seiner kompetenten Mitarbeiter, die wie bei Scrum-Unternehmen üblich jeden Morgen zum Meeting zusammenkommen.
Bei Spotify arbeiten insgesamt 60 Scrum-Master (Coaches), die sich um 1.200 Entwickler kümmern. Grundlage des guten Funktionierens der Teams (Squads) ist der gegenseitige Respekt: Es sind nur die Ideen erwünscht, die das Projekt voranbringen. Das schließt gegenseitige Schuldzuweisungen aus. Jedes des Scrum-Teams besteht aus 6 bis 20 Mitgliedern, die Entwickler, Designer, Experten für User-Experience und Tester sind.
Die vom jeweiligen Product Owner organisierten und Scrum-Master kontrollierten Freitagnachmittags-Meetings bilanzieren die Ergebnisse der vergangenen Arbeitswoche und natürlich auch mögliche schnellstens zu beseitigende Schwierigkeiten.
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Teams, die denselben Bereich bearbeiten, gehören zu einem Tribe. Dessen Mitglieder kommen regelmäßig zum Austausch von Informationen und zum Treffen wichtiger Entscheidungen zusammen, die den gesamten Tribe betreffen. Beratung in technischen Dingen erhalten sie von einem Chapter Leader, der jedoch nur dann formelle Autorität besitzt, wenn es beispielsweise um die Genehmigung von Urlaubsanträgen geht.
Über den Tribes sind die Gilden angesiedelt. Sie haben die Aufgabe, die Informationen innerhalb des Unternehmens zu verbreiten. Geht es um fundamentale Änderungen, müssen sich die Scrum Teams mit den obersten Koordinatoren (System Owner, Chief Architect) absprechen. Da bei Spotify jeder die Ideen anderer (sachlich) bewerten darf, entsteht ein sanfter informeller Druck, der die Arbeit innerhalb der Teams vorantreibt. So merken alle im Squad, wenn ein Team-Mitglied einmal nicht produktiv ist.
Da sie sich jedoch alle nur auf der inhaltlichen, nicht jedoch zwischenmenschlichen Ebene ausleben dürfen, ist Mobbing dort kein Thema.
Swedbank Group IT Baltic Banking Division
Die Bank, die in ihrem Herkunftsland Schweden und im Baltikum die Nummer Eins ist, führte vor einigen Jahren die Scrum-Organisationsform in ihrem Unternehmen ein. Der Grund: Swedbank Business und Swedbank IT Division verfolgten ihre Ziele so, dass sogar geringfügige Missverständnisse für große Verzögerungen bei der Software-Entwicklung in der IT-Abteilung sorgten. Die wöchentlichen Bilanzierungsmeetings endeten stets mit gegenseitigen Vorwürfen, die Arbeit und Motivation der Banken-Mitarbeiter lähmten.
Swedbank handelte und setzte einige Coaches der finnischen Unternehmensberatung Agile42 als externe Scrum-Berater ein. Heute arbeiten alle Team-Mitglieder gut zusammen und können am Ende der Woche auf ihre Teilerfolge stolz sein. Ihre Kooperation hat sich seither um 94 Prozent verbessert (so ein aktueller Survey). Die bankeneigenen Software-Produkte werden schneller fertiggestellt.
Auch bei der ältesten schwedischen Bank gibt es Product Owners, Scrum Masters und Scrum Teams, die entsprechend der Organisationsmethode arbeiten.
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