Ein Schnapserl in Ehren kann niemand verwehren …

… Pardon, wir meinen natürlich einen Edelbrand! Der „wilde Geschmack“ von früher, als viele selbst gebrannt haben, ist Geschichte. „Das Qualitätsbewusstsein und die Gesetze in Österreich haben sich verändert. Wir trinken zwar immer noch gern ein Schnapserl, meinen damit aber keineswegs die mindere Qualität, die das Wort eigentlich beschreibt“, erklärt Jürgen Brandner, der am WIFI Steiermark Lehrgangsleiter für die Ausbildung zum Edelbrandexperten und für den „Diplom-Barkeeper – Basis- und Diplomkurs ist. Auch der klassische Obstler von früher verschwindet von der Bildfläche. „Wahrscheinlich hätte man mit dem einen oder anderen derartigen Gebräu sogar ein Auto betanken können…“

Was genau ist ein Schnaps?

Beim Edelbrand dürfen Aroma und Geschmack ausschließlich von der namensgebenden Frucht als Rohstoff kommen. Künstliches Einfärben und Parfümieren sind verboten. Schnaps dagegen enthält maximal ein Drittel Edelbrand. Der Rest ist Neutralalkohol irgendeines Ursprungs, häufig auch mit künstlichem Aroma versetzt. Der Unterschied sei nicht nur zu schmecken, sondern schon an der Flaschengröße zu erkennen, meint der Profi. Oder haben Sie schon einmal einen Edelbrand in der Ein- oder Zwei-Literflasche gesehen? Und dann wäre da noch der Preis als eindeutiges Merkmal: Edelbrände im 0,35-Liter-Fläschchen beginnen bei 20, 30 Euro. Ein Liter Schnaps dagegen ist oft schon ab 10 Euro zu haben.

Einen „Vogelbeer“ bitte – oder was gibt es noch?

Vogelbeeren sind eine Herausforderung für jeden Brenner – warum? „Die Früchte wachsen nur wild, die Bäume sind selten. Noch seltener trägt eine Eberesche so viel davon, dass sich das Einmeischen lohnt. Und dann ist auch noch der Ertrag beim Destillieren sehr gering.“ – Jürgen Brandner zählt auf, was in Österreich sonst noch so zum Anstoßen verwendet wird: Himbeer, Williamsbirne, Marille, Zwetschke, Quitte, Weichsel, diverse Apfelsorten, Kirsche, sortenreine Trauben (Achtung: Der italienische Grappa dagegen wird aus dem Pressrückstand der Trauben, dem Trester, gewonnen und spielt in einer anderen Liga!) … „Was in anderen Ländern ein Cognac, Whiskey, Mezcal, Tequila, Wodka oder Aquavit ist, ist in Österreich der Edelbrand. Jede Nation hat ihre hochprozentige Spezialität, die Österreicher sind Weltmeister im Destillieren von handverlesenem Kern- und Steinobst – es wächst ja so viel bei uns! Die guten Restaurants aller Kontinente wissen diese hochgeistige Qualität zu schätzen.“

Eigenverbrauch oder Profiliga?

„Profis leben unter anderem von ihren hochgeistigen Produkten“, so Brandner. Als Steirer und Steirerinnen kennen wir die Bigplayer Gölles, Jöbstl, Hochstrasser, Tinnauer, Muster … Dabei sind die hohe Qualität handverlesener, reifer Früchte und der Faktor Zeit ganz wichtig. So werden Edelbrände zum Beispiel im Pot Still Verfahren hergestellt. Dabei wird zweimal destilliert und das Ergebnis ist ein 65- bis 70-prozentiger Alkohol mit wunderbarem Aroma. Edelbrände duften nach ihrer namensgebenden Frucht! Beim Patent Still Verfahren dagegen wird nur einmal gebrannt. Das ist wirtschaftlicher, ergibt einen Alkohol von bis zu 85 Prozent – aber die Aromen gehen verloren.

Die Amateurliga findet sich hin und wieder in Buschenschänken und auf Bauernmärkten oder wird ausschließlich für den Eigenverbrauch gebrannt. Da kommen auch angeschlagene oder leicht angefaulte Früchte zum Einsatz. Dabei findet sich das Wörtchen „Abfindungsbrennerei“ am Etikett. Aber auch das ist heute gesetzlich genau geregelt und wird genauestens kontrolliert. Dafür darf ausschließlich selbst angebautes Material verwendet werden, kein eingekauftes. Bevor gebrannt wird, muss eine Meldung an die Bezirksbehörde gehen – die kommt vorbei und verplombt die Destille mit der Maische. Damit ist die Menge limitiert.

Ein „Schnapserl“ – aber bitte nur eins!

Ob Opa oder junge Frau – jeder, der 18 Jahre alt ist, darf in Österreich Edelbrände und Schnaps genießen – und tut es hin und wieder auch. Ein Schnapserl nach dem Schweinebraten ist Tradition. „Man darf dabei aber nicht vergessen, dass Alkohol regelmäßig und in Mengen getrunken, zur Sucht führen kann!“ – Jürgen Brandner empfiehlt natürlich Genuss mit Maß und Ziel, auf die Qualität zu achten und selbstverständlich das Auto zuhause zu lassen. „Dann kann ein Edelbrand etwas richtig Schönes sein!“

„Meine Lieblingsbrände“:

Für den Lehrgangsleiter der Edelbrand-Ausbildung und des Barkeeper-Diplomlehrgangs geht nichts über eine qualitativ exzellente „Alte Zwetschke“ oder einen „Alten Apfel“, wobei das „alt“ nichts anders bedeutet, als im Holzfass gelagert. Apropos alt: So ein Edelbrand, aber auch ein Schnaps kann sehr „alt“ werden. Sprich, er verdirbt auch bei geöffneter Flasche jahrelang nicht. Nur extreme Temperaturen oder direkte UV-Strahlung können dem Hochprozentigen etwas anhaben. Und natürlich Sauerstoff als größter Feind. Ist die Flasche bereits zur Hälfte leer, kann auch ein Edelbrand oxidieren und an Qualität verlieren. „Besser vorher austrinken“, meint der Profi-Barkeeper augenzwinkernd …

Stoß‘ ma auf die „Wirkung“ an!

Destillierter Alkohol wirkt anders als Gär-Alkohol, der Alkoholanteil ist viel höher! Ansonsten ist alles individuell: Wie alt ist man, ist man Mann oder Frau, ist der Körper an Alkohol gewöhnt oder nicht …? Und während der eine nach einem Zuviel des Guten schläfrig wird, wird ein anderer vielleicht aggressiv. Meist aber lockert ein Edelbrand einfach das Gemüt, die Stimmung in der Gesellschaft  hebt sich. Man geht leichter auf Menschen zu und traut sich manches, was man nüchtern eventuell nicht machen würde. Also – stoß ma’ an und prost! Genuss definiert sich aber nicht über Menge, sondern über Qualität! Und davon haben wir in Österreich mehr als genug!

Jürgen Brandner, erfahrener Barkeeper und Lehrgangsleiter für die WIFI-Ausbildungen „Barkeeper-Basis“ und „Barkeeper-Diplom“, ist Inhaber der Firma „Brandner Partyservice-Catering & Events“ in Faak am See.

Haben wir Ihr Interesse an Hochprozentigem und Co geweckt, wollen Sie mehr wissen? Zum Beispiel auch über Liköre, Weine und Schaumweine, Cocktails, nichtalkoholische Getränke an der Bar, Kalkulation, Verkostung, professionelle Zubereitung oder die Gestaltung einer Barkarte?

Fotos: WIFI Steiermark / Melbinger, © Fotolia /Printemps

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