Human Resources: Es ist längst nicht mehr so wie vor 20 Jahren

In den nächsten Jahren erwarten wir eine Pensionierungswelle in Österreich, die nahezu alle Branchen betrifft. Gleichzeitig kommen weniger gut ausgebildete Junge nach. Bereits jetzt suchen fast alle Bereiche händeringend nach Mitarbeitern. Der „War of Talents“ ist voll entbrannt. Die Human ResourcesAbteilungen der Unternehmen arbeiten auf Hochtouren, „viele Firmen stecken unglaubliche Summen in Employer Branding“, weiß Dr. Toni Monsberger, HR-Experte und WIFI-Lehrgangsleiter. Aber auch die beste (Arbeitgeber-)Marke reicht nicht, um die geeigneten Leute zu finden. Und vor allem auch, um sie zu halten!

Mir reicht’s, ich kündige!

Wir geben ein Beispiel: Ein 14-jähriger Jugendlicher im Großraum Graz will eine Lehre zum Metalltechniker machen. Dafür bewirbt er sich bei acht Leitbetrieben und bekommt von mindestens zwei bis drei davon auch eine Zusage. Als dann 15-Jähriger sucht er sich also bereits ganz genau aus, wo er zu arbeiten beginnen will. Und dann trifft er im Unternehmen auf einen „verhaltenskreativen“ Vorgesetzten, der Lehrlinge wie vor 20 Jahren behandelt. Der Machtspielchen und Schatziwirtschaft betreibt, sich im Ton vergreift, vielleicht sogar droht. Wie lange wird der junge Mann wohl im Betrieb bleiben?

HR muss Führungskräfte „entwickeln“

„Egal wie attraktiv ein Unternehmen und die Kraft der Marke erscheinen mögen – wenn Mitarbeiter die Firma verlassen, tun sie dies zu 90 Prozent wegen der direkten Führungskraft“, so Dr. Monsberger. „Fachkompetenz wird bei der Auswahl von Führungskräften überbewertet, wobei das natürlich von der Branche abhängt. Heute sind Konfliktmanagement, Empathie, Wertschätzung, menschliches Interesse am Gegenüber und Kommunikation auf Augenhöhe gefragt. Die wesentliche Aufgabe einer erfolgreichen Führungskraft im Jahr 2020 besteht darin, sich mit dem Mitarbeiter in positivem Sinn auseinanderzusetzen: Wo sind seine Stärken, wo könnte seine Berufung liegen? Und welcher Job könnte am besten entsprechen? Aber manch ein Personalchef denkt immer noch, man könne Menschen überallhin entwickeln!“

Zwei Beispiele – der Lkw-Fahrer:

Ein engagierter Lkw-Fahrer fährt mit dem Firmen-Lkw 30 Kilometer privat zum Arzt, weil es sich um einen Notfall in der Familie handelt. Der Ton, mit dem sein Vorgesetzter daraufhin mit ihm spricht, sowie die angedrohten Maßnahmen veranlassen ihn dazu, sich um einen neuen Job umzuschauen. Dabei muss man wissen, dass verlässliche Lkw-Fahrer wie die sprichwörtliche Nadel im Heuhaufen gesucht werden! – Wäre die Führungskraft besser ausgewählt oder geschult gewesen, hätte sich das HRM die aufwändige Suche nach einem neuen Mitarbeiter sparen können.

Zweitens – die Sachbearbeiterin:

Eine 30-jährige, verantwortungsbewusste und kommunikative Mitarbeiterin wird gegen ihren Willen in den Bereich Buchhaltung versetzt. Außerdem schreit sie ihr Vorgesetzter ständig an und droht … Dabei hat sie mehrmals mitgeteilt, dass sie sich eine Arbeit mit Zahlen gar nicht vorstellen könne. Also sucht sie nach zehn Jahren in der Organisation einen neuen Job … unverständlich für die HR-Abteilung, weil sie nie daran gedacht hat, sich mit der Mitarbeiterin und ihren Vorstellungen auseinanderzusetzen.

Die Macht liegt bei den Bewerbern!

Während sich die „Babyboomer“ (geboren 1946-1964) oder auch die Generation X (Geburtsjahre 1965 bis 1979) noch vieles gefallen ließen, Geld verdienen und im Unternehmen Karriere machen wollen bzw. wollten, schaut das bei den Generationen Y (geb. 1980 bis 1993) und Z (ab 1994) ganz anders aus. Sie suchen sinnstiftende Jobs, brauchen als Erbengeneration nicht mehr so viel Geld und oft auch keinen Vollzeitjob. Sie wollen etwas vom Leben haben und kündigen ihre Jobs, wenn es ihnen nicht mehr gefällt. Sie können es sich schließlich aussuchen.

Mitarbeiter suchen sich die Unternehmen aus

Eine Umfrage der MRI Network, an der 446 Recruiter teilgenommen haben, liefert den Beweis: 90 Prozent der Befragten sind der Meinung, dass der Markt zu 90 Prozent kandidatengetrieben ist. „Diese Tendenz wirkt sich auf das Selbstbewusstsein der Bewerber aus, die eher den Mut fassen, einen Job abzulehnen, wenn er nicht ihren Erwartungen entspricht“, so Dr. Monsberger: „Dieser Paradigmenwechsel erfordert schnelle und gezielte Reaktionen.“

Niemand will in uncoolen Unternehmen arbeiten

In den letzten Jahren haben die Reputation des Unternehmens als Arbeitgeber (sowohl extern als auch intern) und die so genannte Employee Value Proposition* enorm an Bedeutung gewonnen. Sie sind mittlerweile genauso wichtig, wenn nicht sogar wichtiger, wie die Reputation der Marke am Markt und die Customer Value Proposition. „Warum?“, fragt Dr. Monsberger und erklärt: „Niemand möchte freiwillig bei den uncoolen oder gar bösen Unternehmen arbeiten. In Zeiten der Vernetzung können Unternehmen ihre Uncoolheit oder gar Bosheit nicht mehr verstecken – Stichwort Bewertungsplattformen. Laut einer LinkedIn-Studie suchen 75 Prozent der Bewerber aktiv nach Informationen über das Unternehmen und sein Image als Arbeitgeber. Und wer sucht, der findet.“

Herausforderung für die HR-Abteilungen

Einerseits gibt es immer weniger qualifizierte Bewerber. Dann kommt die stärker werdende Diversity mit den unterschiedlichen Mentalitäten und Kulturen der potenziellen Mitarbeiter dazu. Drittens geht es nicht mehr ohne lebenslanges Lernen: Egal was wir tun, wir müssen dranbleiben. Dabei fallen immer wieder auch ältere Arbeitnehmer durch den Rost – wenn jemand auf dem Stand von vor 20 Jahren bleiben will, hat er in den meisten Branchen einfach keine Chance mehr.

Ungelöste Probleme:

Und dann sind da noch einige Herausforderungen, auf die auch Dr. Monsberger noch keine Antwort gefunden hat: Wie lässt sich Teilzeit in den Drei-Schicht-Betrieb einer Industrie integrieren? Oder was ist mit einem Bewerber, der in der Pflege keine Nachtschicht machen will? Wie können die Arbeitszeitmodelle der Zukunft überhaupt ausschauen? … Wenn bei Mitarbeitern Geld in den Hintergrund und Lebensqualität in den Vordergrund tritt, müssen Unternehmen neue Wege finden. Dabei gibt es in ganz vielen Betrieben immer noch einen Umgang mit den Mitarbeitern wie anno dazumal – die werden sich wohl wundern. Denn die Jungen lassen sich heute nichts mehr gefallen. Sie sagen einfach: „Mir reicht’s, ich kündige jetzt!“ Und weg sind sie.

Dr. Toni Monsberger hat BWL (u. a. mit Schwerpunkt Marketing) studiert und jahrelange Erfahrung als Unternehmer (CLAX Fachverlag GmbH). Als Unternehmensberater ist er auch für nationale und internationale Konzerne in den Fachgebieten Unternehmensorganisation, Teamentwicklung und
HR-Management engagiert.

Die neuen Herausforderungen von Human Resources, Soft-Skills-Schulungen für Führungskräfte, Bewerber, die sich ihre Unternehmen aussuchen … Es bleibt spannend! Die Aus- und Weiterbildungen des WIFI Steiermark sind am neuesten Stan

Fotos: WIFI Steiermark / Melbinger, © Fotolia / Aaron Amat

Begriffserklärung:
*„Employer Value Proposition“:Anhäufung von unterschiedlichen Angeboten, die ein Unternehmen potenziellen Mitarbeitern bietet, damit diese sich für das Unternehmen interessieren. Ziel ist es, dem Bewerber zu vermitteln, dass er sich auf eine Stelle in einem einzigartigen Unternehmen bewerben kann. Dazu gehören Aufstiegs- und Weiterbildungsmöglichkeiten, die Kultur und Kommunikation im Unternehmen, ein starker Auftritt in den Sozialen Netzwerken, Gesundheitsmanagement, der Sinn der Arbeit, flexible Arbeitszeitgestaltung und schließlich auch das Entgelt.

 

 

2 Gedanken zu “Human Resources: Es ist längst nicht mehr so wie vor 20 Jahren

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