„Die heutige Jugend ist faul, dumm, will nicht lernen, zeigt keine Motivation“ sind nur einige Vorurteile, die Jugendlichen der Generation Digital zugeschrieben werden. Das WIFI Ausbilderforum stellt sich u.a. der Frage, wann und wodurch Lehrlinge Lernprozesse als etwas Motivierendes erleben. Dazu zeigt Business Coach Anton Eibel in seinem Impulsreferat auf, wie neurowissenschaftliche Erkenntnisse in der Lehrlingsausbildung nutzbar gemacht werden können. Einen „Vorgeschmack“ lesen Sie hier:
Lernen ist Höchstleistung des Gehirns
Das Gehirn ist das mit Abstand komplexeste Organ des menschlichen Körpers. Es verfügt über etwa 100 Milliarden Nervenzellen, die jeweils mit bis zu 15.000 anderen Neuronen verbunden sind. Lernprozesse basieren stets auf Integrationsleistungen einzelner Nervenzellen. Wie und wofür ein Mensch sein Gehirn nutzt, ist entscheidend dafür, welche Verschaltungen zwischen den Milliarden Neuronen gebahnt und verstärkt werden. Um diese neuronale Prägung in Gang zu bringen, brauchen Jugendliche eine Vielzahl eigener Erfahrungen wie auch während des Lernens Orientierungshilfen und Leitbilder. Hirnforscher haben nachgewiesen, dass funktionierende Beziehungen zu Lehrern oder anderen Bezugspersonen entscheidend zum Lernerfolg beitragen. Vertrauen und Anerkennung sind Dünger für gehirngerechtes Lernen.
Lernstoff festigen über Wiederholungen
Die moderne Hirnforschung liefert mithilfe bildgebender Verfahren den neurobiologischen Nachweis, dass die bewährten Methoden entsprechende Bahnungs- und Strukturierungsprozesse auslösen. Gefestigt wird das einmal Gelernte durch wiederholte Anwendung in unterschiedlichen Kontexten. Neues Wissen und neue Denkprozesse bleiben am besten haften, wenn Zusammenhänge selbst erarbeitet werden; wenn sich dem Lernenden Sinn erschließt und der neue „Stoff“ an Bekanntes anknüpft.

Jeder Jugendliche ist einzigartig
Jeder Jugendliche ist anders und besitzt einen einzigartigen genetischen Code. Um Lernprozesse zu verbessern, ist es notwendig, die Gemeinsamkeiten der Lernenden zu erkennen und gleichzeitig den Einzelnen als einzigartiges Individuum anzuerkennen.
Erfolgsfaktoren des Lernens
Jugendliche lernen leichter,
- wenn sie eigene Erfahrungen machen können und dabei möglichst alle Sinne angesprochen werden.
- wenn in den Lernprozessen soziale Interaktionen einbezogen werden.
- wenn ihre Interessen und Ideen miteinbezogen und gewürdigt werden.
- wenn neue Muster mit dem vorhandenen Vorwissen verbunden werden können.
- wenn Lernprozesse mit positiven Emotionen gekoppelt werden können.
- wenn ihre Unterschiede in Entwicklung, Reife, Kenntnissen und Fertigkeiten berücksichtigt werden.
- wenn ihre einzigartigen Talente, Fähigkeiten und Fertigkeiten angesprochen werden.
Allgemein erfordert erfolgreiches Lernen ausreichend Schlaf, etwa sechs bis acht Stunden, viel Bewegung an der frischen Luft sowie eine ausgewogene Ernährung mit einem hohen Obst- und Gemüseanteil. Ernährungsstudien haben darüber hinaus gezeigt, dass die Aufnahme mehrkettiger Kohlenhydrate wie etwa in Müsliriegeln und Vollkornprodukten die Konzentrationsfähigkeit steigert.
Botenstoffe erzeugen Vitalität und Motivation
Was oft als Überforderung bezeichnet wird, erweist sich bei näherer Betrachtung entweder als Unterforderung oder, noch schlimmer, als frustrierendes Ergebnis von
- Pauken, etwa durch zu viel Lernstoff in zu langen Unterrichtseinheiten,
- Drill, etwa durch zu lange Phasen des Stillsitzens) oder
- Entmutigung, etwa durch fehlende Erfolgserlebnisse.
Neurotransmitter sind Botenstoffe in unserem Gehirn, die uns u.a. spüren lassen, was für die Aneignung neuen Wissens oder neuer Fähigkeiten unerlässlich ist: Vitalität und Motivation. Dopamin wird immer dann verstärkt freigesetzt, wenn Lerninhalte subjektiv bedeutsam sind – wenn die Neugier geweckt wird. Die Glücksgefühle auslösende körpereigene Droge Dopamin verbessert die Weiterleitung elektrischer Signale und die Neubildung und Verschaltung neuer Synapsen. Aus neurowissenschaftlicher Sicht besonders beachtenswert ist in diesem Zusammenhang, dass die negativen Stimuli wie etwa Isolation, Missachtung oder Abwendung nicht nur unser Vitalitäts- und Motivationssystem lähmen, sondern von unserem Gehirn ähnlich wahrgenommen werden wie absichtlich herbeigeführter körperlicher Schmerz.
Unterschätzte Chance durch Lob und Anerkennung
Der Lehrer der Vergangenheit suchte Fehler – heute geht es darum, Talente und Interessen zu entdecken. Der moderne Lehrer befindet sich immer mehr in der Rolle des „Schatzsuchers.“ Versäumnisse wie etwa das Ausbleiben von Lob und Anerkennung, das Verhindern von Glücks- und Erfolgserlebnissen oder das Erzeugen von Entmutigung, Frustration oder Angst, müssen sich daher zwangsläufig negativ auf die lernrelevanten Hirnareale und somit auf den Lernprozess und -erfolg auswirken. Umgekehrt bietet dieser neurobiologische Mechanismus Ausbildner eine bisher oft unterschätzte Chance. Die Chance, die biochemischen Prozesse im Gehirn durch Lob und Anerkennung, durch das Erzeugen von Glücks- und Erfolgserlebnissen und durch das Vermeiden von Entmutigung, Frustration und Angst positiv zu beeinflussen. Wodurch eine neuronale Netzwerkstruktur geschaffen wird, die Lernen nicht als langweilig und quälend empfindet, sondern als etwas Schönes und Spannendes.
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Fotos: Adobe Stock – Alexandr Vasilyev – contrastwerkstatt