Als einer der wenigen Herrenschneider in Graz beherrscht Martin Rossmann ein uraltes, traditionelles Gewerbe. Seine gefragten Maßanzüge sind (fast) ausschließlich per Hand gefertigt und der Tragekomfort ist einfach großartig! Er hat zwei Mitarbeiterinnen, von denen eine schon zwölf Jahre bei ihm arbeitet und aktuell in Karenz ist. Sie hat die letzte WIFI-Meisterschule zum Herrenkleidermacher absolviert und ist nun ebenfalls eine Meisterin ihres Fachs. Die zweite, Anna, hat das Modekolleg besucht und ist nun dabei, ihre LAP als Herrenkleidermacherin nachholen.
Die Branche braucht Nachwuchs!
„Mein Vater hilft mir noch. Aber generell ist es in unserer Branche extrem schwierig, qualifizierte Mitarbeiterinnen oder Mitarbeiter zu bekommen“, erklärt er die Notwendigkeit der WIFI-Ausbildung. Zudem sind die meisten selbstständigen Herrschneider bereits nahe der Pension oder auch schon drüber, und auch die potenziellen Nachfolgerinnen und Nachfolger wollen sich auf ihre Meisterprüfung vorbereiten.
WIFI-Meisterschule für Herrenkleidermacher
Die Meisterschule für Herrenkleidermacher, so die offizielle Bezeichnung des Berufs, setzt sich aus zwei Modulen zusammen:
• Modul eins befasst sich vor allem mit der Nähpraxis. Man lernt bzw. vertieft die entscheidenden Schritte für die Erstellung eines kompletten, dreiteiligen Herren-Maßanzugs, bestehend aus Sakko, einer Hose und der dazugehörigen Weste (Gilet). Wie Martin Rossmann betont, wird dabei auf jeden einzelnen Teilnehmer, jede Teilnehmerin individuell eingegangen, auch, was die Nähtechnik betrifft. Das Modul ist auch allein, also ohne Modul zwei zur eigenen fachlichen Weiterentwicklung buchbar.
Vorbereitung auf die Meisterprüfung
• In Modul zwei bereiten sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer konkret auf die Meisterprüfung als Herrenkleidermacher/in und eine eventuelle Selbstständigkeit vor. Dazu gehören auch die hohe Kunst des Maßnehmens und Schnittzeichnens im Detail. Weiters die zentimetergenaue Berechnung des hochwertigen Stoff- und Materialbedarfs sowie alles an Theorie, was man für die Prüfung benötigt.
Für wen ist diese Meisterschule?
„Für alle, die sich weiterentwickeln wollen“, fasst der Meisterschneider zusammen. Das betrifft junge Herrenschneider, aber auch Damenschneider/innen, die in die Maßanzugfertigung eintauchen wollen. Des weiteren Änderungsschneider/innen, Industrieschneider/innen, Hemdenschneider/innen, Modisten, Absolvent/innen von Modeschulen und –kollegs, Kostümbildner/nnen … Und natürlich nehmen alle teil, die einen (Familien-)Betrieb übernehmen wollen und dafür die Meisterprüfung brauchen. Schließlich kann man sich nirgends sonst als wie am WIFI so perfekt auf die Prüfung an der Wirtschaftskammer vorbereiten.
Meisterschneider/in ist ein angesehener Beruf
Lernt man eine/n Herrenschneider/in kennen, heißt es gleich „Ah, oh, was für ein wunderschöner Beruf!“ „Leider gibt es aktuell nicht mehr sehr viele“, so Rossmann – wie gesagt, die Branche braucht Nachwuchs. Man genießt hohes Vertrauen von der Kundschaft, arbeitet in einer gut funktionierenden Nische und hat (fast) alle Bevölkerungsschichten als Klientel. Da die Herrenmode weit weniger schnelllebig ist als die Damenmode, trägt man die aufwändig gearbeiteten Anzüge mindestens gerne zehn Jahre lang. Ein attraktiver Trachtenanzug begleitet den Herrn zu besonderen Anlässen oft ein ganzes Leben lang. Das Schönste daran: bei einem Maßanzug hat man – im Gegensatz zu vieler Stangenware – nicht das dringende Bedürfnis, sein Sakko endlich ausziehen zu wollen. Im Gegenteil – weil er sitzt, fühlt man sich auch nach einem ganzen Tag noch wohl darin. Einziger Nachteil: Die durchschnittliche Wartezeit auf einen fertigen Maßanzug bei Martin Rossmann beträgt aktuell zwei bis drei Monate …
Handarbeit nach Maß
Martin Rossmann hat ursprünglich eine Schneiderlehre in der Textilindustrie gemacht: „Da wurde mit fertigen Schnitten und nicht am Menschen gearbeitet“, erzählt er. Das habe er dann von seinem Vater gelernt. Auch der in der Industrie übliche, gigantische Automatisierungsgrad stehe einem als klassischer Herrenschneider kaum zur Verfügung: „In meinem Betrieb arbeiten wir per Hand oder mit der Nähmaschine, nur die Knopflöcher werden – außer auf ausdrücklichen Wunsch – von einem Knopflochautomaten gefertigt.“
Auch die Arbeit mit den klassischen Stoffen ist eine Qualität für sich. „Bei uns kann der Kunde aus fast 6.000 Stoffmustern wählen, wir bieten Qualitätsware vom italienischen Kammgarn bis zum englischem Tweet“, blickt der Unternehmer zurück. Bestellt wird dabei zentimetergenau, also zum Beispiel exakt 1,25 Meter für die Hose direkt aus der Weberei. Die Stoffe haben nämlich einen stolzen Preis. Für alle, die es interessiert: Der Aufwand für einen Herren-Maßanzug bei uns beträgt ungefähr 60 Stunden.
Reger Kontakt mit dem Kunden
Abgesehen davon, dass die Herrenschneiderei Rossmann viel Stammkundschaft hat, werden auch ausgefallene Wünsche bedient: Die Palette reicht von stolz getragenen, extravaganten Hochzeitsanzügen bis zu ganz unauffälliger Kleidung, die ausschließlich dem qualitativ hochwertigemn Tragekomfort dient, wie man ihn tagtäglich in bestimmten Berufen braucht. „Und wenn einmal ein Bierbäuchlein wächst“, schmunzelt Martin Rossmann, „dann können ein paar Kilo mehr mit einer Änderung durchaus einmalig kaschiert werden. Oder man hält wegen dem Anzug sein Gewicht…“