Barista – über die Wiedergeburt des Filterkaffees

Kaffee ist eine Leidenschaft, die süchtig macht – und damit ist nicht (nur) das Kaffeetrinken gemeint. Sie glauben das nicht? Dann haben Sie noch nie einen begeisterten Vollblut-Barista wie Benjamin Graf erlebt. Als WIFI-Lehrgangsleiter fasziniert er private Kaffeeliebhaber genauso wie alle, die ihren Gästen mehr als nur eine „plumpe“ Schale Kaffee servieren wollen. Kaffee ist Kunst und Genuss, ein wandelbares Thema voller Geschichte und Geschichten, trendig modern und gleichzeitig uralt. Immerhin begann der Siegeszug des geschmackvollen Muntermachers bereits im 16. Jahrhundert, als die ersten Kaffeehäuser in Istanbul aufmachten und sich anschließend schnell über Europa ausbreiteten. Damals wurde Kaffee vor allem aufgekocht, ein bisschen so, wie wir ihn heute noch als türkischen Kaffee kennen und lieben.

Wer war Melitta Benz?

„Ja, auch der gute alte Filterkaffee ist wieder in aller Munde, wenn auch in vielen neuen Formen“, bestätigt Benjamin Graf die Wiedergeburt der vorwiegenden Zubereitungsart aus Omas Zeiten. Erfunden hat ihn 1908 Melitta Benz, als sie die Idee, das Löschpapier ihres Kindes als Filter auszuprobieren, weiterentwickelte und damit den ersten Einwegfilter erfand. Melitta ist uns natürlich immer noch ein Begriff. Die Methode hat sich im Prinzip auch nicht verändert, sie wurde nur stark verfeinert – man ging mehr und mehr ins Detail: Wassertemperatur, Wasserzusammensetzung, das Filterpapier und die Braumethode bestimmen heute die Komplexität des Geschmacks sowie die Fülle und Reichhaltigkeit der Aromen. Das Ergebnis sind gravierende Unterschiede, die selbst den Geschmacksknospen eines Laien nicht verborgen bleiben.

Wasser ist nicht gleich Wasser!

„Filterkaffee braucht weiches Wasser mit möglichst wenig Inhaltsstoffen“, gibt Benjamin Graf einen ersten Einblick. Mit zu hartem Wasser zubereitet, schmeckt der Kaffee lasch und fahl, eventuell sogar bitter. Je weniger das Wasser selbst in sich trägt, desto mehr kann es an Süße, Aroma oder auch Säure aus dem Kaffee aufnehmen. Ideal seien stille Wasser aus der Flasche oder Baby Quellwasser aus der Drogerie, verrät der Barista.

Filterkaffee – 1. Pour Over Methode

Das ist eine reine „Gravitationsbrühung“ in dem Sinn, dass das Wasser oben rein geschüttet wird und nach unten fließt. Dabei wird ein klarer Kaffee gebrüht, der feine Aromen besonders gut zur Geltung bringt. Zum „Pour Over“ gehört Melitta – sowohl von Hand als auch via Filterkaffeemaschine aufgebrüht. Während man händisch allerdings das gesamte Kaffeemehl gleichmäßig und langsam mit einem Wasserstrahl übergießen und den Kaffee damit möglichst perfekt extrahieren kann, leitet die Maschine das Wasser auf nur eine Stelle. Geschmackvoller ist eben die Handbrühung mittels „Hario v60“. Dieser Filterbehälter hat ein großes Loch, einen 60-Grad-Winkel und besteht oft aus Glas oder Porzellan. Durch die besondere Leitfähigkeit und Geschmacksneutralität des jeweiligen Materials entsteht kräftiger, aromatischer Kaffee. Man braucht aber eine ruhige Hand.

Auch Kalita, die Filtermethode aus Japan, fällt in die Kategorie „Gravitationsbrühung“: Der Filterbehälter dabei ist allerdings unten flach und hat drei kleine Löcher. Das lässt dem Kaffee in der Regel mehr Säure, man könnte auch mehr Fruchtigkeit dazu sagen.

Zweitens: Immersion Coffee Brewing

Dabei wird der Kaffee vollständig mit dem Wasser vermischt und zieht eine gewisse Zeit, bevor es durch einen Filter getrennt wird. Damit entsteht ein vollmundiger und kräftiger Kaffee.

 Drittens: Filterkaffee mit Druck

Dazu gehören AeroPress oder French Press. Der Nachteil beider Methoden besteht darin, dass immer nur eine Tasse auf einmal zubereitet werden kann. ABER! Nichts bringt alle Aromen eines Filterkaffees so intensiv zum Ausdruck wie AeroPress, das den Kaffee erst in einem erzeugten  Vakuum „staut“ und anschließend durch ein Filterpapier presst. Vor allen fruchtige Kaffeesorten können so ihr volles Aroma entfalten. 

Auch French Press ist seit Jahren ein Klassiker und zeichnet sich durch viel Körper aus. Hier wird der Kaffee schließlich durch ein Metallsieb auf den Boden des Behälters „gedrückt“, was ebenfalls geschmackliche Fülle, wenn auch etwas verschleiert, garantiert. Die Methode ist allerdings extrem einfach zu handhaben.

„Auch, wenn man’s nicht gleich vermuten würde – zu der Braumethode mit Druck gehört auch die Moccakanne“, erklärt Benjamin Graf. Sie trage den Namen Espressokanne zu Unrecht, wird der Filterkaffe doch unter zirka 1,2 Bar Druck nach oben gepresst …

Lust auf (viel) mehr richtig guten Kaffee?

Benjamin Graf ist zertifizierter SCA-Baristatrainer,Latte Art-Staatsmeister 2014, 2016 und 2017 sowie Cafetier des Jahres 2016 & 2017. Zur Erklärung: Die „Specialty Coffee Association“ ist ein Mitgliedsverband mit tausenden von Kaffeeprofis und Organisationen in über 100 Ländern auf der ganzen Welt, der u. a. auch Schulungsprogramme wie eine Sensorik-Ausbildung anbietet. „Latte Art“ sowie „Cafetier des Jahres“ sind neben der „Barista-Meisterschaft“ Wettbewerbsdisziplinen an und mit der Espressomaschine.

Herkunft, Mahlgrad, Röstung, Wassertemperatur, Kaffeepreise, Geschmack und Qualität … Über Kaffee gibt es noch faszinierend viel zu lernen – Interesse?

Fotos: © pamelaschmatz

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