Tippen statt sprechen – Jugendliche kommunizieren anders

Sich mit Freunden verabreden, Eltern Bescheid geben, sich informieren; Jugendliche greifen dafür nicht zum „Hörer“, sie schreiben. Telefonieren ist out, Texten ist das „Telefonieren“ der jungen Menschen. Auch E-Mails sind out, kommuniziert wird über Social Media und es wird eine eigene Jugendsprache verwendet.

Gerade in Zeiten, wo Beziehungen oder Familien räumlich auseinandergehen, helfen mobile Kommunikationsmittel, um verbunden zu sein. Allerdings zeigen Studien, in denen Jugendliche für zwei Wochen ihre Handys abgeben mussten, wie verunsichert diese wurden durch das Gefühl, aus dem Beziehungsnetz herausgefallen und dadurch alleine zu sein. Das zeigt, wie fragil die soziale Einbindung geworden ist.

Hitliste der Sozialen Medien

  • WhatsApp                   (ab 16 Jahren)  Messaging Dienst für Bilder, Texte
  • Instagram                    (ab 13 Jahren)  Onlinedienst für Fotos, Videos
  • Snapchat                     (ab 13 Jahren)  Austausch mit Freunden
  • Youtube                      (ab 16 Jahren) Musik- und Videoplattform
  • Tiktok                         (ab 13 Jahren)  kurze Handyvideos
  • Facebook                    (ab 13 Jahren)  Soziales Netzwerk

Der einstige Social Media Gigant Facebook ist weit abgeschlagen und punktet bei internationalen Freundschaften. Twitter gilt als politisch motiviertes Nachrichten-Medium „verdorben“, wie etwa vom amerikanischen Präsidenten Donald Trump.

„Nehmt uns ernst!“

Seriöse Nachrichten erwarten sich Jugendliche auf Social Media nicht; gerne lassen sie sich aber über Instagram oder WhatsApp zu Nachrichten leiten. „Wenn Ihr uns erreichen wollt, dann nehmt uns auch ernst!“ Jugendliche haben einen hohen Anspruch an eine professionelle Kommunikation über Social Media. Sie kennen sich gut aus und nehmen die Kommunikation und die Jugendsprache der Influencer als Vorbild. Sie erwarten sich Content, der sie dort abholt, wo sie sich bewegen. Wollen Formate, die anders erzählt werden und Informationen, die auf Augenhöhe vermittelt sind. Und das am besten jederzeit und überall verfügbar.

Soziale Medien sind für die meisten ein Teil des Nachrichtenrepertoires, aber nicht die einzige Quelle.

Generation Cloud TV

WhatsApp bleibt unverzichtbar, zeitunabhängiges Abrufen von Streamingdiensten auf verschiedenen Endgeräten ersetzt zunehmend das lineare Fernsehen.  Das TV-Verhalten der Digital Natives ist mit jenem ihrer Eltern kaum vergleichbar. Neben Mediatheken und Streamingplattformen hat sich YouTube neben Unterhaltung auch als ernst zu nehmender Anbieter für Internetfernsehen platziert. Für aktuelle News rangiert das Fernsehen vor dem Radio, dem Internet und der Tageszeitung.

Kontaktpflege via Internet

Eltern können nur den Kopf schütteln. Die beste Freundin, der beste Freund wohnt nur um die Ecke, doch statt sich zu treffen, pflegen sie ihre Kontakte im Internet. Das ist normal, selbstverständlich und auch effektiver, als anzurufen. Das Internet bietet zudem Schutz vor Unsicherheiten. Viele interessieren sich auch nicht wirklich für die andere Person, sondern nur für das Austauschen von Gedanken – dafür reicht diese Begegnung völlig aus. Lebendige Beziehungen sind störanfälliger und komplizierter. Und erfordern, dass man sich selbst infrage stellt, sich einlässt. Beim virtuellen Kontakt behält man die Kontrolle, passt etwas nicht, kann man sich ausloggen. Sehr beliebt sind online Rollenspiele: Jugendliche, die sich in der realen Welt nicht wohlfühlen, finden sich in gemachten Welten, in denen sie neue Charaktere einnehmen und mit Gleichgesinnten reden können.

„Wyld“ – Jugendsprache

Schriftdeutsch, ganze Sätze, Grammatik? – „Cringe!“ Jugendliche haben eine eigene Sprache, die Eltern und Erwachsene nicht verstehen (wollen). Das ist seit Generationen so und das soll auch so sein. „Hammer, mega!“ Derartige Unterhaltungen auf der Straße, im Bus oder in der Straßenbahn rufen bei Erwachsenen völliges Unverständnis und auch Sorge über den Sprachverfall der „heutigen Jugend“ hervor. Über die Ratlosigkeit zu den Hausaufgaben wird mit „kp“ „kein Plan“ gechattet. Jugendliche wollen mit ihrer Sprache ähnlich provozieren wie in dieser Lebensphase mit ihren Eltern. Erwachsene fühlen sich vor den Kopf gestoßen – genau das ist der Sinn der Übung. Jugendsprache ist Teil des Ablösungsprozesses. Um den inneren Sturm der Pubertät angemessen wiederzugeben, braucht es neben einer gewagten Mode, gewöhnungsbedürftiger Musikstile eben auch die eigene Sprache.

„Ich schwör!“ – Zustimmung in der Gruppe

Laut Sprachwissenschaften gibt es nicht die EINE Jugendsprache, sie ist regional, auch von Gruppe zu Gruppe unterschiedlich. Sie klingt nicht nur befremdend durch Wörter und Ausdrücke, sondern zeichnet sich durch den besonderen grammatikalischen Stil aus. Das zentrale Motiv ist, dieselbe Sprache zu sprechen wie Freunde, Teil einer Gemeinschaft zu sein, sich mit in einer Clique identifizieren. „Ich schwör“ oder „Ehre“ haben einen festen Platz in der Jugendrhetorik. Damit unterstreicht man gegenüber Anderen seine Verbundenheit und Treue. Derartige Sprachbausteine verstehen genau nur jene Personen, die denselben kulturellen Hintergrund haben, dieselbe Musik hören, dieselben TV-Serien sehen. Vom Freundeskreis Zustimmung zu bekommen, ist in dieser Phase der Selbstfindung das Wichtigste.

Wenn es ein Jugendwort in den Duden schafft, dann ist es meistens schon wieder out.

Merkmale der Jugendsprache

  • Bestimmter Wortschatz
  • Stilmittel:  etwa Ironie und Provokation
  • Viele Abkürzungen
  • Übertreibung: „fett“, „de luxe“, „hammer“
  • Schimpfwörter und Vulgarismen
  • Lehnwörter aus Fremdsprachen: „Habibi“
  • Dehnungsphrasen: „irgendwas“, „oder so“
  • Satzabbrüche

Imponieren: Drama Queens und Kings

Kein Jugendlicher erzählt 15 Minuten über einen Fahrradunfall. Kurze Sätze, dramatisch und übertrieben. „Intensivierung“ heißt das Stilmittel. Nichts ist einfach nur unangenehm, es ist „total krank“ oder „krass nervig“. Die Geschichten werden mit vollem Körpereinsatz erzählt, mit Händen, Füßen, Augenbrauen. Die Stimme ist verstellt, das Geschehnis wird im Dialog wörtlich nachgespielt, Tonfall und Ausdruck von Dritten imitiert. Ziel ist es, damit zu imponieren und zu wetteifern, wer der „Coolste“ oder der „Witzigste“ ist. Die obszöne Sprache ist Teil davon, bei Buben wie auch bei Mädchen – Mädchen nehmen sich kein Blatt mehr vor den Mund. Wer in bestimmten Foren mitmischen will, muss sich sprachliche Codes aneignen. Ohne die entsprechenden Zeichen können Jugendliche nicht am Chat-Gespräch teilnehmen.

Internet als Spielwiese

20 Ausrufezeichen, 30 freundlich bis grimmig schauende Smileys – eine Welt aus Buchstaben, Abkürzungen, Satzzeichen, Emoticons. Kleingeschrieben, ohne die erlernte Grammatik zu erkennen. Gefühle werden nicht über die Stimme vermittelt, sondern nonverbal über Emojis, die Freude, Wut, Ärger, Traurigkeit oder Überraschung ausdrücken. Für die Mimik werden Selfie Fotos gepostet. Die digitale Bühne bietet Spaß am spielerischen Umgang mit Schriftsprache; denn es ist viel mehr erlaubt. Schreibend können sich Jugendliche vorteilhafter präsentieren, betont lässig, witzig. Ins Netz werden „Ich-Botschaften“ gestellt, ohne Dialog und Austausch, für die Kommunikation wie eine Einbahnstraße. Sie öffnen Fenster in ihre persönliche Welt – und das öffnet auch Tür und Tor für Missverständnis und Missbrauch. Sehr wohl kennen Jugendliche den Unterschied und können sich auch anders ausdrücken, etwa in einem Bewerbungsschreiben.

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Brücken zwischen Jung und „Alt“

Normsprache gilt im Vergleich zur Jugendsprache als altbacken, langweilig, da gesellschaftlich akzeptiert. Manches Mal werden Wörter sogar in den Duden aufgenommen, wie „LOL“ oder „chillen“, sodann gelten diese bei den Jugendlichen bereits als out. Beim Übergang in das Erwachsenenalter fügen sich junge Menschen in die Normsprache ein, mit längeren Sätzen und weniger Provokationen. Wohl durch das Berufsleben oder durch die beginnende Familiengründung. Um zwischen Jung und „Alt“ eine sprachliche Brücke zu bauen, kann es hilfreich sein, wenn Erwachsene gelegentlich den Jargon ihrer Kinder übernehmen. Jugendliche benutzen viel schärfere und für unsere Ohren sehr abwertende und aggressiv klingende Ausdrücke. Oft hilft, nachzufragen – in Formulierungen, die ein wenig abmildern. Entscheidend ist, den Kern der Aussage ernst zu nehmen, darum geht es den Jungen.

„Ja, Moin“ – Ein kleines Wörterbuch der Jugendsprache

  • Babo: Chef, Boss
  • Bambusleitung: schlechte Internetverbindung
  • lost: Ausdruck für Ahnungslosigkeit
  • Sheesh: ein Ausdruck des Erstaunens
  • Wyld: Eine Variation des deutschen und englischen Wortes „wild“.
  • Cringe: Es soll das Gefühl von Fremdscham zum Ausdruck bringen.
  • Bestie: beste Freundin
  • Mois: Alter, Kumpel, Bro
  • Cheedo: cool
  • Ehre genommen: beleidigt, gedemütigt
  • Ehrenmann/-frau: Gentleman / Lady, jemand Besonderer
  • Habibi: Schatz, Liebling
  • I bim’s: Ich bin’s
  • Ja, Moin: Verwunderung
  • lit: sehr cool
  • Squad: coole Gruppe
  • Bombe: sehr gut, toll
  • unlügbar: unbestritten
  • Yolo: alle Chancen nutzen (you only live once)
  • assig: blöd
  • Tschuligam: Entschuldigung
  • gefresht: satt, kein Durst

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Foto: Adobe stock – Biascioli

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