Ohne Controlling sind Kleinunternehmen im Blindflug unterwegs

Controlling kann Unternehmerinnen und Unternehmern dabei helfen, wichtige strategische Entscheidungen zu treffen. In vielen Kleinunternehmen wird es jedoch vernachlässigt – bis akute Probleme auftauchen.

„Controlling in Kleinunternehmen ist anders organisiert als in großen Konzernen“, erklärt der WIFI-Lehrbeauftragte MMag. Dr. Oliver Schinnerl. Der Experte berät Unternehmen und verknüpft im Fach Investition und Finanzierung sowie im Rahmen des IFRS-Lehrgangs Theorie mit seinen Erfahrungen aus der Praxis.

Großunternehmen können sich eigene Abteilungen leisten, die sich ausschließlich mit Controlling befassen. Bei kleineren Unternehmen ist dies jedoch meist in andere Unternehmensbereiche integriert oder fehlt ganz. Ein Fehler, denn Controllingwissen ist auch in Kleinunternehmen essenziell.

Warum wird Controlling oft vernachlässigt?

Wenn man ein Unternehmen gründet, steht man vor zahlreichen Aufgaben. „Einerseits muss man sich mit dem Management und dem operativen Prozess der Leistungserstellung beschäftigen und sich andererseits mit den Anforderungen des Finanzministeriums auseinandersetzen“, erläutert Schinnerl. Zu Letzterem gehört das Aufsetzen eines korrekten Steuersystems. Je nach Rechtsform des Betriebes muss man sich an die Vorgaben des Einkommensteuergesetzes oder des Unternehmensgesetzbuchs halten – in jedem Fall ist aber zumindest eine korrekte Einnahmen-Ausgaben-Rechnung zu erstellen. Zusammen mit anderen wichtigen Aktivitäten wie Marketing und Vertrieb sind Unternehmerinnen und Unternehmer voll ausgelastet.

„Vor allem in neu gegründeten Kleinunternehmen wird dem Controlling darum häufig wenig Aufmerksamkeit gewidmet“, spricht Schinnerl aus Erfahrung. Solange das Geschäft gut läuft, fällt das fehlende Controlling auch nicht auf. In solchen Fällen machen Unternehmen zwar weniger Gewinn und verteilen Gelder weniger effizient, steigen aber am Jahresende dennoch mit einem Plus aus. Doch das bleibt leider nicht immer so:

Erst wenn es Probleme im Unternehmen gibt, wird die Notwendigkeit des Controllings in Kleinunternehmen ersichtlich.

Finanzielle Konsequenzen für Kleinunternehmen

Schinnerl beobachtet bei der Beratung von Kleinunternehmen immer wieder, dass diese meist ähnliche Probleme haben. Nachdem neue Unternehmen einen guten Start hingelegt haben und anfangs gewachsen sind, kommen sie oftmals an einen Punkt, an dem der Gewinn rückläufig wird oder es sogar zu Verlusten kommt. Ohne Erkenntnisse aus dem Controlling fällt es schwer, die Gründe dafür zu finden und die Probleme zu beheben.

„Gründerinnen und Gründer müssen immer wieder feststellen, dass sie ihr Unternehmen ohne Controlling im Blindflug geleitet haben“, erläutert Schinnerl. Einer der Betriebe, die er berät, startete zum Beispiel mit einer kleinen Produktpalette, aufgrund deren Erfolg das Unternehmen wuchs. Als der Gewinn später rückläufig wurde, konnte sich die Unternehmensleitung das nicht erklären. „Es war unklar, welche Produkte welchen Deckungsbeitrag zu dem Gesamtergebnis des Kleinunternehmens beisteuern“, erinnert sich der Experte. Ohne Controlling kann man in solchen Fällen keine sinnvollen Gegenmaßnahmen einleiten. „Wenn es keine genauen Zahlen gibt, kann man keine fundierten Entscheidungen für ein Unternehmen treffen – etwa darüber, welche Produkte eingestellt und für welche das Marketing erweitert werden sollte.“

Unternehmerinnen und Unternehmer müssen mit solchen Entwicklungen umgehen können und auf Marktreize reagieren: Controlling kann zur Lösung bereits vorhandener Probleme beitragen und zukünftige vermeiden.

Die wichtigsten Kennzahlen für Kleinunternehmen

Abhängig von der Größe und dem Zweck des Unternehmens sind unterschiedliche Kennzahlen relevant. Wesentlich für jeden Betrieb sind aber in jedem Fall Gewinn, Verlust, Liquiditätsgrad, Verschuldungsgrad und Eigenkapitalquote. Wenn ein Unternehmen mit Teilkosten rechnen muss, sollte man zusätzlich dazu auch die Deckungsbeiträge der einzelnen Produkte und Dienstleistungen kennen. Darüber hinaus kann man im Controlling immer weiter ins Detail gehen. Dabei sollten Unternehmerinnen und Unternehmer Kosten und Nutzen abwägen.

„Man kann immer mehr Zahlen und Werte erheben, doch dafür braucht es Zeit und Personal – und das kostet nun mal Geld“, verdeutlicht Schinnerl. Verantwortliche sollten sich also gut überlegen, wie sie ihre Ressourcen am besten einteilen können. „Das ist bei kleinen Betrieben meist eine kritischere Frage als bei Großunternehmen, die ohnehin mehr finanzielle und personelle Ressourcen haben“, spricht der Experte aus Erfahrung.

„Die Fähigkeiten von Gründerinnen und Gründern sind natürlich am besten in ihrem Fachbereich und der Leitung des Betriebs aufgehoben“, meint Schinnerl. Darum ist es in vielen Fällen sinnvoll, das Controlling auszulagern. Zum Beispiel indem man sich Unterstützung von Steuerberater/innen holt oder erste Controlling-Konzepte im Rahmen von Bachelor- und Masterarbeiten umsetzen lässt. „Doch jede unternehmerisch tätige Person sollte zumindest die Grundlagen der Betriebswirtschaft verstehen“, betont er. Denn die Interpretation der Zahlen und die strategischen Entscheidungen auf deren Basis obliegen schlussendlich immer der Unternehmensleitung.

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Foto: Adobe Stock – Luis Molinero

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