Floskeln “Viel Lärm um Nichts” oder rhetorische Zierde

Wir hören sie ständig und wir verwenden sie alle: Floskeln. Aus Gewohnheit, Höflichkeit, aus Verlegenheit, zur Ablenkung. Als Überbrückung von Sprachlosigkeit oder unangenehmer Sprechpausen, für Aufmerksamkeit oder rhetorische Zierde. Ob als Redewendung, Worthülse, Gemeinplatz oder Plattitüde bezeichnet, wir meinen inhaltslose nichtssagende Redensarten und unnötige Phrasen. Selten ist offensichtlich, dass überhaupt nichts ausgesagt wurde.

Hohle leere Worte

Das Wort Phrase stammt vom griechischen phrasis ab, bedeutet Sprechen, Ausdruck, und zog im 16. Jahrhundert in die deutsche Sprache für Redewendung, Satz ein. Im 18./19. Jahrhundert bekam Phrase die Bedeutung Worthülse. So bezeichnet Phrasendrescher Menschen mit abgedroschenem, leerem Geschwätz.

“Durch die Blume”

Wer etwas „durch die Blume“ sagt, deutet lediglich etwas an, unverblümte Redner verzichten hingegen auf jede sprachliche Zierde. Floskel leitet sich aus dem Lateinischen flosculus für Blümchen ab und bezeichnet in der Rhetorik der Antike die verzierte, verhüllte Sprache, ebenso einen treffend formulierten Sinnspruch. Wollte früher ein junges Mädchen einem Freier zu verstehen geben, dass sie ihn nicht als Bräutigam wünschte, gab sie ihm eine bestimmte, von Region zu Region unterschiedliche Blume als Zeichen ihrer Ablehnung. Sie sprach die für den Mann unangenehme Wahrheit nicht aus, sondern verhüllte sie.

Floskeln als Stilfehler?

Selbst wenn das Wort Floskel negativ besetzt ist, so ist das Verwenden einer Floskel nicht unbedingt als Stilfehler oder schlechtes Deutsch zu bewerten. Erst der ständige, zwanghafte und unreflektierte Gebrauch ist stilistisch fraglich und weist ihre Verwender als Redner aus, die sich kaum oder gar keine Mühe geben, sorgfältig und präzise zu formulieren.

Floskeln vereinfachen das Miteinander

Jede Art der Anrede, ob mündlich oder in einem Text, ist als Floskel zu sehen: „Sehr geehrte Damen und Herren“ oder „Freundliche Grüße“ haben keine Aussagekraft und sind schmückendes Beiwerk, dennoch, sie gehören dazu.

Sie gelten im menschlichen Miteinander als höflich und sind ein wesentlicher Bestandteil unserer alltäglichen Kommunikationskultur. Wie eben jene zur Begrüßung, Verabschiedung oder zur Ermunterung. Durch die gesellschaftlich etablierte Zuschreibung werden sie als das verstanden, was der Sprechende ausdrücken möchte. Durch Hörfunk, TV und soziale Medien verbreiten sich Floskeln überaus rasch und verankern sich durch permanente Wiederholung in unserer Sprachkultur. Birgit Freidorfer, Wellcome Consulting und Lehrgangsleiterin der WIFI Rhetorikakademie, betont: „Jeder hat sein individuelles Floskel-Repertoire, je nach Alter, Kultur, sozialer und beruflicher Gruppenzugehörigkeit. Das kann sich über Generationen immer wieder ändern. Die Jugendsprache ist das beste Beispiel. Sie verankert sich durch den Zeitgeist, wie aktuell jene der Internetgeneration, das Zugehörig sein wollen und die gesprochene Häufigkeit.“

Smalltalk zum Beziehungsaufbau

Das Wetter oder der allgemeine Gesundheitszustand eignen sich immer noch als Gesprächsöffner bei neuen Begegnungen. Oder oberflächliche Phrasen, die einen Vortrag, eine Präsentation oder ein Seminar einleiten. Wichtig ist, eine emotionale Verbindung zu schaffen, die Herz zu Herz Ebene zu bedienen, nicht unbedingt die Information. Der Sinn erster Sätze ist nicht,  Tiefsinniges zu vermitteln, sondern mit Unverfänglichem die Kommunikation aufzubauen. Schätzen wir also am Smalltalk mehr das Bemühen des Beziehungsaufbaus unseres Gegenübers als die inhaltliche Brillanz. Die Verbindung ist wichtig.

Null-Aussage

Um präzise, klar und überzeugend zu formulieren, zu präsentieren – stören Floskeln, mehr noch, sie verhindern: Irgendwie, sozusagen, eigentlich, vielleicht, eventuell, einigermaßen, möglicherweise, wahrscheinlich drücken Unsicherheit aus und vermitteln, dass man sich nicht festlegen will. Sie werten den Satz zu einer Null-Aussage ab:

  • Das ist einigermaßen sicher.
  • Eigentlich kann nichts schief gehen.
  • Wir sind wahrscheinlich in der Lage.

Floskeln nehmen Chancen

In der Rhetorikakademie sensibilisieren wir darauf, wie viele und welche Floskeln wir unbewusst verwenden.  Über Kameratraining und Feedback lernen die Teilnehmer, auf unnötige Füllwörter zu achten und sie bewusst wegzulassen.

Birgit Freidorfer, Lehrgangsleiterin Wifi Rhetorikakademie

Ein Auftakt mit „Danke für Ihr zahlreiches Kommen“ und ein “Danke für Ihre Aufmerksamkeit“ als Schlusswort sind verlorene Chancen. In beiden Momenten ist die Aufmerksamkeit des Publikums am größten. Für einen guten Start und einen nachhaltigen Eindruck lohnt es sich, in die ersten und letzten Worte zu investieren. Das ist ein zentrales Thema in der WIFI Rhetorik-Ausbildung.

Floskeln mindern Aussagekraft

Floskeln verwässern den Text und erschweren dem Zuhörer oder Leser, die wesentliche Aussage zu erfassen. Als verbale Pölster und Weichmacher untergraben sie Kompetenz, Sicherheit und Dursetzungskraft.

Birgit Freidorfer

Dazu zählt auch die Verwendung des Konjunktivs, der Höflichkeitsform der 80-er Jahre. „Würde, möchte, könnte, hätte, müsste“ sind veraltet und sollten durch klare verbindliche Wörter der Gegenwart ersetzt werden:

  • Dadurch würden Sie erreichen. -> Sie erreichen damit.
  • Ich würde empfehlen. -> Ich empfehle Ihnen.
  • Ich möchte Ihnen vorstellen. -> Ich stelle Ihnen vor / präsentiere Ihnen.

Rhetorisches Werkzeug

Um Floskeln gezielt als rhetorisches Stilelement zu platzieren, braucht es Erfahrung. Findet man nicht ins Gespräch, hat den Faden verloren, will man Redepausen oder Unsicherheit überbrücken, möchte man etwas nicht direkt ansprechen, eignen sich Floskeln. Der Nutzen für den Zuhörer ist, sich eine kurze Denkpause gönnen zu können, wie etwa bei: Sehr geehrte Damen und Herren, Wie schon gesagt, an dieser Stelle, sozusagen, dementsprechend, diesbezüglich, so gesehen, letztendlich, offen gesagt, im Endeffekt, gesetzt den Fall, nicht wirklich, mehr oder weniger, grundsätzlich, wenn man so will.

Satzbausteine eignen sich, um eine neue Aussage zu platzieren, ohne auf Argumente oder Standpunkte von Vorrednern eingehen zu müssen. So lenkt man geschickt auf ein anderes Thema und kann gleichzeitig die eigene Kernaussage immer wieder platzieren.

  • Entscheidend / Wichtig ist doch
  • Ich glaube / Ich meine
  • Ich bleibe dabei
  • Sehen Sie es einmal so
  • Haben Sie sich schon einmal überlegt
  • Bleiben wir beim Thema

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