Der LENA-Award des WIFI Österreich prämiert jedes Jahr die innovativsten und kreativsten Ideen für die österreichische Erwachsenenbildung. 2021 geht der Preis erstmals in die Steiermark. Mag. Sayd Ali, MA, Rechtsreferent und Lehrbeauftragter am WIFI Steiermark, durfte den Award für sein Konzept „Blended Learning“ entgegennehmen. Ein Konzept, das dem modernen Zeitgeist mehr als entspricht.
Sayd Ali ist eigentlich Rechtsexperte sowie Gründungs- und Unternehmensberater am Wirtschaftskammer-Standort in Bruck an der Mur. Doch vor rund sieben Jahren sprang der leidenschaftliche Klippenspringer buchstäblich „ins kalte Wasser“ und begann seine Lehrtätigkeit am WIFI Steiermark. Dort unterrichtet er Rechtsfächer – etwa im Unternehmertraining oder beim Lehrgang für Bilanzbuchhalter. Verschiedene Lehr- und Unterrichtsmethoden sind ihm also nicht fremd. Schon in seiner Zeit als Student lernte er auf der Universität und FH unterschiedliche Techniken des Unterrichtens kennen – unter anderem auch sogenanntes „Blended Learning“, erzählt er: „Die Universität ist ein hervorragendes Beispiel für verschiedenste Unterrichtsmethoden, vom Frontalunterricht angefangen bis zum Seminar mit Gruppenarbeiten. E-Learning war damals auf jeden Fall bereits Thema. Doch eine echte Notwendigkeit wurde es wohl erst jetzt während der Krise“.
Die Corona-Pandemie und all ihre Auswirkungen waren ein Stein des Anstoßes für Sayd Ali, intensiv über neue Unterrichtskonzepte nachzudenken. Entstanden ist daraus das Konzept für „Blended Learning“, das nun beim diesjährigen Online-Kongress für Training und Weiterbildung mit dem renommierten LENA-Award des WIFI Österreich ausgezeichnet wurde. Doch was ist Blended Learning eigentlich – und wie sieht es in der Praxis aus?

Was ist „Blended Learning“?
„Blended Learning“ verbindet Präsenzunterricht mit Online-Einheiten. Dabei gibt es keine feste Einteilung, wie viele Stunden vor Ort und wie viele übers Internet stattfinden. Im Gegenteil: Es ist ein höchst flexibles Modell, das sich individuell auf die jeweiligen Unterrichtsfächer abstimmen lässt. Im Zuge der Corona-Krise mussten auch am WIFI Steiermark viele Lehrende gezwungenermaßen auf Online-Tools umsteigen. Doch Sayd Ali sieht das nicht als Nachteil: „Viele Online-Programme bieten dieselben Möglichkeiten wie Unterricht in Präsenz. Sogar Gruppenarbeiten können wir online durchführen. Und darüber hinaus bieten sie auch viele neue und interessante Gestaltungsoptionen für den Unterricht – wie Abstimmungstools, YouTube-Videos und vieles mehr.“
Sein Konzept von „Blended Learning“ sieht also ein aktives Einbinden von Online-Einheiten vor. Und zwar so, dass sich Präsenz und Online gegenseitig ergänzen und nicht ersetzen – darum auch „blended“ (englisch: „vermischt“). „Das ist eine gewisse Herausforderung für Lehrende, denn Online-Unterricht benötigt andere didaktische Methoden als Präsenz-Stunden. Doch am allerwichtigsten ist das Aktivieren der TeilnehmerInnen und das Interagieren miteinander. Und das lässt sich vor Ort genauso bewerkstelligen wie online“, ist sich Sayd Ali sicher.
Vor- und Nachteile von Blended Learning
Den größten Vorteil im Blended Learning sieht Sayd Ali deshalb in der Flexibilität: „Man kann sich jede Gruppe von TeilnehmerInnen individuell ansehen und entscheiden, ob und wie viele Stunden man online abhalten will. Auch manche Unterrichtsfächer lassen sich gut online abhalten. Meine Rechtsfächer zum Beispiel benötigen nicht ständig die physische Präsenz der TeilnehmerInnen. Fächer mit großem Praxis-Bezug wiederum funktionieren online natürlich schlecht oder gar nicht. Es ist also an den Lehrenden, hier ein ausgewogenes Verhältnis herzustellen“. Zudem kommen Online-Einheiten jenen TeilnehmerInnen, die nicht so mobil sind, berufsbegleitend lernen und studieren oder aus dem ländlichen Raum stammen, umso mehr entgegen.
Der Nachteil: Viele Lehrgänge am WIFI Steiermark leben von der Interaktion und dem Netzwerken der TeilnehmerInnen untereinander. Da das online nicht so gut möglich ist wie vor Ort, rät Sayd Ali von reinen Online-Einheiten also eher ab (außer, es ist wie in Zeiten der Krise nicht anders möglich).

Die Zukunft des Lernens und Unterrichtens
Auch, wenn die Corona-Pandemie viel Negatives hervorgebracht hat, so konnten doch Innovationen daraus gewonnen werden. Und diese sind gekommen, um zu bleiben, ist sich Sayd Ali sicher: „In den letzten 1 ½ Jahren hat sich im Bereich der Digitalisierung extrem viel getan. Gerade im Bereich der Bildung sollten wir sie auf keinen Fall aufgeben, sondern im Gegenteil noch weiter ausbauen. Denn ohne Bildung geht es nicht – das hat uns die Krise deutlich gezeigt“.
Ist „Blended Learning“ also die Zukunft des Unterrichtens? Jedenfalls besitzt es enormes Potenzial für die Erwachsenenbildung. Die Teilnahme an Kursen ist nicht mehr nur auf die räumliche Nähe beschränkt und bringt damit Wissen auch dorthin, wo es zuvor nicht zugänglich war. Zudem spiegelt Blended Learning auch den Zeitgeist wider – denn immer mehr ArbeitnehmerInnen wünschen sich eine flexible Arbeitseinteilung in Bürozeiten und Home-Office. „Warum sollte also unsere Erwachsenenbildung das nicht auch anbieten können?“, fragt Sayd Ali und betont: „Es ist wichtig, dass wir den Digitalisierungsturbo nutzen, den uns Corona gebracht hat, um weiterhin state of the art zu bleiben. Als WIFI Steiermark, aber auch als Bildungs- und Wirtschaftsstandort generell“.
Für diesen innovativen Ansatz wurde Sayd Ali zurecht mit dem LENA-Award ausgezeichnet, was vielleicht nicht so adrenalingeladen ist wie der Sprung von einer Felsklippe, aber die Zukunft der Erwachsenenbildung einen „Sprung“ nach vorne bringen kann.
Fotos: Klaus Morgenstern