Digitale Megatrends im Bildungswesen

Das traditionelle Klassenzimmer mit ausschließlich gedruckten Büchern und minimaler Individualität geht in die Geschichte ein. Inzwischen wird es von innovativen digitalen Lösungen in den modernen Universitäten in Wien, Innsbruck, Graz, Linz, Klagenfurt, Krems, Salzburg, Leoben und St. Pölten abgelöst. Auch in Ausbildungszentren, Volks- und Mittelschulen, höheren Schulen und Einrichtungen der beruflichen Erwachsenenbildung wie das WIFI Steiermark setzt sich der digitale Unterricht mit neuen Lernformen durch. Er verbessert die Lernerfahrungen, wobei es interessante Trends gibt. Drei davon stellt dieser Beitrag vor.

#1 Gamification und spielbasiertes Lernen

Digitales spielbasiertes Lernen nutzt digitale Spiele für den Lernprozess. Der englische Ausdruck Gamification bringt den Trend etwas klarer auf den Punkt. Die Vorteile für den Unterricht sind enorm, auch wenn der Ansatz als solcher manchmal auf Unverständnis stößt: Spielen und Lernen galten bislang als Gegensatz. Dies ist aber ein Vorurteil. Im Grunde haben Menschen aller Altersgruppen schon immer beim Spiel sehr viel gelernt. Gamification nutzt nun gezielt diesen Effekt.

Warum funktioniert Gamification?

Jedes Spiel erfüllt die wichtigsten Voraussetzungen des Lernens: Aktivität, Spaß, sozialer Kontakt (meistens), das Sammeln von Erfahrungen und sofortiges Feedback. Gamification oder auch DGBL (für Digital Game-Based Learning) greift die Faszination von Computerspielen für den Unterricht auf. Sie verknüpft sie mit kurrikularen Vorgaben. Den Begriff DGBL prägte der US-Pädagoge und Harvard-Absolvent Marc Prensky, von dem übrigens auch das Buzzword der Digital Natives stammt. DGBL oder Gamification beschreibt er als die Verschmelzung von Computerspielen und Bildungsinhalten. Dahinter steckt der grundsätzliche pädagogische Ansatz, dass Schüler*innen ihren Lernstoff in einem interaktiven System aufnehmen, das sich am besten digital realisieren lässt. Die interaktive Unterhaltung wiederum regt kreative Denkprozesse an. Es entsteht ein sinnvoller, gleichwohl aber auch herausfordernder Kontext für Lernende in jeder Altersstufe.

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Vorteil der digitalen Spiele

Natürlich erzeugen auch klassische, nicht-digitale Spiele einen beträchtlichen Lerneffekt. Digitale Spiele allerdings multiplizieren diesen einfach durch die Fülle an Informationen und interaktiven Möglichkeiten, die sie kompakt anbieten. Darüber hinaus sind sie sehr experimentell, obwohl sie auch klare Regeln bieten. Ein wichtiger Punkt ist ihr sofortiges Feedback. Ihre digitale Technik ermöglicht nämlich eine exakte Analyse von bestehenden Stärken und Schwächen der Spielenden, was wiederum die Anpassung der Anforderungen in Echtzeit ermöglicht. Dies ist wiederum die Voraussetzung für den sogenannten Flow-Zustand, bei dem ein Mensch vollkommen in seiner Tätigkeit aufgeht, dabei ungemein viel lernt und sich gleichzeitig glücklich fühlt.

Nachgewiesener Effekt von Gamification

Der positive Effekt dieser Lernmethode wurde inzwischen wissenschaftlich bewiesen. Einige der Studien sind über ein Jahrzehnt alt. Sie konnten unter anderem belegen, dass sich Lernende die spielerisch vermittelten Inhalte deutlich besser merken. Darüber hinaus stärkt DGBL grundlegende kognitive Fähigkeiten wie die räumliche Vorstellungskraft, das Multi-Tasking und das Knowledge Mapping (Visualisierung von Informationen bzw. „gewusst wo“). Es gibt übrigens Forscher, die einen begrifflichen Unterschied zwischen Digital Game-Based Learning und Gamification ausmachen wollen. Letzteres setzt demnach lediglich Spielelemente ein, während DGBL ein komplexes Spiel verwenden soll. Diese Unterscheidung darf allerdings als Spitzfindigkeit gelten. Es gibt übrigens noch mehr Vorteile über das verbesserte Lernverhalten hinaus. Menschen, die mit Hard- und Software lernen, beherrschen diese auch besser.

Das ist einer der Gründe dafür, warum heute jüngere Generationen bei ihrer Handhabung den älteren Menschen meistens überlegen sind. Sie haben damit schon als Kinder gespielt. Auch das strategische Denkvermögen und die Problemorientierung sollten sich durch Gamification bzw. DGBL deutlich verbessern.

#2 Virtual und Augmented Reality, audiovisuelle Medien

Die Virtual Reality ist eine vollkommen digital erzeugte virtuelle Realität. Dabei tauchen Spieler oder Lernende vollkommen in eine künstliche Welt ein, die ein Computerprogramm erzeugt. Hierfür ist eine gewisse Hardware nötig, nämlich mindestens eine VR-Brille und im Idealfall auch ein Untergrund, der den Kontakt zur künstlichen Umgebung simuliert. Jede Bewegung und jeder Blick der ausführenden Person wird in die Brille und auf den Untergrund überspielt. Es können sogar Sensoren an den Händen, Armen und einem Ganzkörperanzug befestigt sein, welche die Illusion perfekt machen: Der Mensch geht vollkommen in der künstlich geschaffenen Welt auf.

Die Augmented Reality ist eine erweiterte Realität und in der Praxis deutlich häufiger anzutreffen. Sie greift VR-Elemente auf, wobei der Kontakt zur echten Welt beibehalten wird. AR-Darstellungen sind inzwischen alltäglich geworden. Es genügt beispielsweise, wenn bei der Fernsehübertragung eines Fußballspiels eine Entfernungslinie vom Spieler zum Tor eingezeichnet wird: Das ist schon Augmented Reality. Audiovisuelle Medien sind alle Medien, die unser Gehör und den visuellen Sinn ansprechen, also alle Bild- und Tonaufnahmen. Sie unterstützen ebenso wie VR und AR moderne Lernprozesse.

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Lernen mit audiovisuellen Medien

Audiovisuelle Medien kommen im Unterricht schon länger zum Einsatz. In vielen Schulklassen ab den unteren Klassenstufen werden Videos gezeigt, die bestimmte Themen vertiefen. Beim online durchgeführten Unterricht während der Coronapandemie spielten sie sogar eine herausragende Rolle. Modernere audiovisuelle Lernmedien steuern die Aufmerksamkeit der Lernenden sogar gezielt und visualisieren bestimmte Fragestellungen, um den Lernstoff zu veranschaulichen. Gleichzeitig sollen Schüler*innen und Studierende mit selbst erstellten Videos und Audios eine höhere Medienkompetenz erwerben. Sie setzen sich auf diese Weise sowohl mit dem Thema als auch mit der Technik auseinander. Ein Nebeneffekt selbst erstellter audiovisueller Medien ist das Verständnis für Hintergründe: Die Lernenden stellen fest, wie die Handhabung des Mediums die Wahrnehmung des Inhalts beeinflussen kann. Dies verschafft ihnen einen kritischen Blick auf Quellen. Im besten Fall lernen sie, Fake News rechtzeitig zu identifizieren.

Lernen mit Virtual und Augmented Reality

VR und AR wird ein großes Potenzial für Lernerfolge an Schulen und Universitäten zugeschrieben. Sie ergänzen den herkömmlichen Unterricht und entwickeln ihn weiter. Vorteile sind unter anderem:

  • hohe Motivation
  • Wegfall räumlicher Beschränkungen
  • Exploration von Lernstoff
  • dynamische Unterrichtsgestaltung
  • Vertiefung von komplexen Zusammenhängen
  • Interaktivität und Erlebnismöglichkeit
  • Vermittlung von 3D-Informationen

Ein dreidimensionaler visueller Eindruck und eine stereoskopische Darstellung stärken die Sinneswahrnehmung. Wissen kann in einer virtuellen Lernumgebung durch Verräumlichung transportiert werden. Gleichzeitig fördern VR und AR im Unterricht das vernetzte Denken als Schlüsselkompetenz. Der Faktor der Motivation ist ebenfalls nicht zu unterschätzen: Lernende sind von VR- und AR-Welten sehr begeistert und nehmen allein deshalb den vermittelten Stoff hervorragend auf. Das ist ein ähnlicher Effekt wie bei der Gamification. Selbstverständlich finden manche Lernspiele in einer virtuellen Realität statt, sodass sich Gamification und VR-Lernen miteinander verknüpfen lassen.

#3 Peer-to-Peer-Lernen bzw. soziales Lernen

Peer-to-Peer heißt Gleich-zu-Gleich und bedeutet sehr verkürzt ausgedrückt, dass sich Lernende gegenseitig Wissen vermitteln. Dies ist soziales Lernen, das auf Augenhöhe stattfindet. Es erklären nicht allwissende Lehrer*innen etwas den unwissenden Schüler*innen, sondern alle Teilnehmenden bringen eigenes Wissen ein und gelten als gleichberechtigt. Diese Lernform gibt es als Schülerpatenschaft oder Workshop schon seit Jahrzehnten. Die Digitalisierung fördert sie jedoch erheblich, weil sich die Lernenden mit digitalen Medien wie einer Suchmaschine blitzschnell Informationen besorgen und damit zum sozialen Lernen beitragen können. Den sozialen Aspekt der Interaktivität stärkt das enorm, denn auch in Schülerpatenschaften stellte sich früher oft ein Gefälle her: Es gab eben die „kluge“ Schülerin, die ihrem „dummen“ Mitschüler etwas beibrachte. Letzteren demotiviert das bisweilen ganz erheblich, was den Erfolg einer solchen Lernpatenschaft erheblich schmälern kann. Heutzutage schaut der Mitschüler als Coachee mal schnell bei Google nach und kann dann auch dem Coach etwas erklären, was dieser nicht gleich wusste.

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P2P-Learning in der beruflichen Weiterbildung

Peer-to-Peer-Lernen funktioniert sehr gut in oberen Klassenstufen und an Universitäten, in gewissen Grenzen auch in unteren Klassenstufen und ganz hervorragend in der beruflichen Aus- und Weiterbildung. Hierzu gibt es auch Studien.

McKinsey hat ermittelt, dass Arbeitnehmer*innen die Erfahrungen ihrer Kollegen sehr schätzen: In 55 % aller Fälle sind diese die ersten Ansprechpartner, wenn es um Wissensaustausch geht. Das leuchtet ein, wenn es um praktische berufliche Kenntnisse geht. Allerdings gilt P2P-Learning in den Ausbildungsprogrammen der Unternehmen bislang als unterentwickelt.

Dieselbe McKinsey-Studie stellte fest, dass nur 48 % aller untersuchten europäischen Unternehmen bislang den Vorteil dieser Lernform nutzen. Nach Auffassung der Studienautoren sollten sie aber eine Brücke von traditionellen Lernformen zu P2P-Learning schlagen. Dieses stärkt nebenher erheblich die Medienkompetenz der lernenden Berufstätigen, weil es ohne sie nicht geht: Soziales Lernen ist nur möglich, wenn sich alle Teilnehmenden mit hoher digitaler Kompetenz rasch die benötigten Informationen beschaffen. Die digitale Kompetenz wiederum ist heute ein Basic unter allen Skills, die in der Berufswelt verlangt werden. Daher wird sie häufig von Personalabteilungen schon in die Bewerberauswahl bei Neueinstellungen integriert, wie eine weitere McKinsey-Studie zeigt.

Vorteile des sozialen Lernens

Die Vorteile von P2P-Learning beschreiben die McKinsey-Autoren so:

  • Basis für gemeinsames und problemorientiertes Lernen
  • Förderung von Flexibilität und Agilität
  • Entwicklung von kreativen Ansätzen für mehr Innovation
  • unverzichtbar für lebenslanges Lernen

Diese Eigenschaften gelten als maßgeblich für unsere Zukunftsfähigkeit. Geschult werden sollte Peer-to-Peer-Lernen schon in den Grundschulen, denn die heranwachsende Generation muss es später vollständig verinnerlicht haben.

Fazit

Die Digitalisierung hat das Lernen in völlig neue Regionen geführt. Lehrer*innen und Professor*innen an den Universitäten dürfen sich den neu entstandenen Trends nicht verschließen, sondern müssen digitale Lernformen mitsamt ihren Tools aktiv in das Unterrichtsgeschehen integrieren.

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