Wenn der Patissier die Geschmacksknospen vibrieren lässt …

Dieser Kakao-Mousse-Brownie schaut nicht von ungefähr aus wie die alte Inka-Stadt Matchu Picchu auf der Hochebene von Peru. Der crunchy fermentierte Kakaobohnenbruch, das frische, an Litschi und Ananas erinnernde Kakao-Fruchtfleisch und das hauchdünne Blättchen 100-Prozent-Schokolade sind ihrer direkten Herkunft nach „geborene“ Südamerikaner. Gemeinsam mit Facetten der heimischen Dirndlfrucht sind sie angetreten, unsere Sinne zum Nachtisch in Aufruhr zu versetzen. Kreiert wurde die sensationelle Komposition von Thomas Scheiblhofer, Chefpatissier im Wiener „Tian“ (1 Michelin-Stern, 4 Gault Millau-Hauben) und Trainer in der Diplom-Ausbildung zum Patissier am WIFI Steiermark. Besser geht’s nicht.

Patissier – kreativster Job in der Restaurantküche

„Die Patisserie ist für das strenge Arbeiten nach Rezepten bekannt – Kuchen, Mousse und Co brauchen genaue Angaben. Gleichzeitig kann man unendlich kreativ sein. Man braucht aber einen freien Kopf dafür.“ Genau das will Thomas Scheiblhofer den angehenden Patissiers in der WIFI-Diplomausbildung mitgeben. „Für mich hat der Patissier in der Küchenperspektive das größte Potenzial“, sagt er und meint damit auch die Bedeutung für den Gast, der sich auf den Nachtisch freut. „An den süßen Schluss erinnert man sich auch nach mehreren köstlichen Gängen, vor allem, wenn er mit einem Wau-Effekt daherkommt. Für den Gast ist es wie eine Belohnung, die er sich gönnt: mein Dessert!“

Wobei süß und Zucker heute oft völlig zu Unrecht verteufelt werden, meint der Chefpatissier. „Sie sind von Grund auf wesentliche Komponenten einer ‚Süß-Speise‘. Es muss ja keine Kalorienbombe sein, auch ein Fruchtsalat ist süß.“ Es geht ihm um einen zeitgemäßen Umgang mit dem Thema – inklusive einem Touch Klassik, man kann Vanillesauce durchaus lieben. Wie oft, macht auch hier die „Menge das Gift“. Natürlich könne man aber auch salzige oder mit Miso Umami-Noten ins Dessert hineinbringen.

Thomas Scheiblhofer wird im WIFI-Lehrgang einen Tag lang auch seine Leidenschaft für Schokolade weitergeben. Petit Four, Pre Dessert, Hohlkörper-Gießung, Pralinen … Scheiblhofer ist ja auch Amabassador, also Botschafter für Schokolade. Genauer gesagt, für die Original Beans Schokolade, wo eine kleine Manufaktur in Holland direkte Verträge mit den Bauen im peruanischen Hochland hat. Das ist sehr selten und das schätzen wir sehr. „Im ‚Tian‘ wollen wir nicht nur vegetarisch und vegan, sondern auch möglichst nachhaltig arbeiten“, erklärt er.

Vegetarisch, vegan – was heißt das für die Patisserie?

„Auf jeden Fall bedeutet das, alles neu zu denken und nichts nachzuahmen!“ – Scheiblhofer nimmt den „veganen Burger“ zum Beispiel. Da vergleiche der Gast das vegane Produkt häufig mit dem Original, was Konsistenz, Beschaffenheit und Geschmack beträfe. „Ich will aber UNVERGLICHLICH begeistern!“ Der Gast soll ganz neu und offen für die Kreation sein: knusprig, cremig, fruchtig, flüssig – was nimmt er wahr? Ein komplett neu kreiertes Produkt mit neuem Namen steht vor ihm auf dem Tisch.

Thomas Scheiblhofer ist selbst übrigens weder Veganer noch Vegetarier. „Man kocht für den Gast. Wenn ich eine Nussallergie habe, heißt das ja auch nicht, dass ich keine Nüsse verarbeiten kann.“ – Er sieht es sogar als Vorteil, dass er sich anders ernährt, als er kocht: „Je weiter mein Wissensfeld ist, desto besser kann ich Neues kreieren. Ich kenne zum Beispiel die Konsistenz einer dichten Bouillon, also kann ich auf intelligente Weise Ähnliches im vegetarischen und veganen Bereich erschaffen.“

Patissière, Patissier gefragt!

„Das sind Fachkräfte, von denen gibt es nicht so viele“, weiß der WIFI-Trainer. Das Angebot regelt dementsprechend den Preis. Damit den jemand zahlt, braucht es aber offenes, selbstständiges Denken. „Jeder kann Künstler sein. Man muss auch die Leistung und Output bringen, sonst ist es wirtschaftlich nicht rentabel.“ Haustorte und Cremeschnitte werden da nicht reichen, damit ein Restaurant einen Patissier beschäftigt. Das Restaurant „Tien“ in Wien betreibt sogar eigenes Marketing für seine Patisserie, stellt Pralinen her, bietet Takeaway an und positioniert sich immer wieder auch an anderen Orten, aktuell am Arlberg oder am Tegernsee als „Pop-up-Restaurant“.

„Wir schaffen uns damit zusätzlich eine Marke, das weckt Interesse. Der Gast kommt auch wegen der Patisserie ins Restaurant ‚Tian‘“, so Thomas Scheiblhofer. In seiner Abteilung sind sie sogar zu viert. Weil Patisserie auf hohem Niveau – das macht nicht nur Freude. Das rechnet sich auch!

Er lässt die Geschmacksknospen vibrieren: Thomas Scheiblhofer ist seit der Gründung des „Tian“ 2011 Chef-Patissier in dem vegetarischen-veganen Restaurant in der Wiener Himmelpfortgasse (1 Michelin-Stern, 4 Gault Millau-Hauben). „Tian“ ist übrigens chinesisch und bedeutet „Himmel“ – himmlisch auch seine süßen Kreationen.

Fotos: Sonya Metzler, Ingo Pertramer, Thomas Scheiblhofer

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