Die Customer Journey beginnt damit, dass ein Unternehmen potentielle, ihm unbekannte Kunden, sogenannte Prospects, durch konkrete Outbound-Werbemaßnahmen anzieht. Es möchte beispielsweise, dass sie den Online-Shop des Unternehmens besuchen. Ein Unternehmen kann Awareness erreichen durch eine Google Adwords-Kampagne, physischen Kundenkontakt auf einer Messe sowie Online- und Offline-Werbung für Gewinnspiele und spezielle Preis-Aktionen. Für eine Suchmaschinen-basierte Kontaktaufnahme, z.B. über einen Unternehmens-Blog, ist SEO-Optimierung Voraussetzung. Inbound-Kontakte können je nach Zielgruppe des Weiteren über Social Media-Kanäle wie Instagram und WhatsApp erfolgen.
Im Folgenden geht es darum, die fremden Besucher bzw. Leads zu Sales Qualified Leads zu konvertieren und so viele Informationen wie möglich über diese zu sammeln. Direkte Kundenaufforderungen, sogenannte Call-To-Actions, sind in dieser Phase entscheidend. Für die Kontaktaufnahme stehen Zielgruppen-orientierte Tools wie Live-Support oder Formulare zur Verfügung. Durch das Angebot von zusätzlichen Inhalten, wie Produktdemos, Factsheets und Testzugängen, kann mehr Interesse geweckt und der Kaufentscheidungsprozess positiv beeinflusst werden.
Sämtliche vorhergehenden Maßnahmen arbeiten auf die eigentliche Kaufentscheidung, die Decision, und die abschließende Action hin: die Leads bzw. Sales Qualified Leads (SQL) werden zu tatsächlichen Kunden und kaufen das Produkt.
Der Hauptfokus des Sales Funnels liegt in der Generierung neuer Kundenkontakte. Der Kunde muss aktiv mit dem Unternehmen in Kontakt treten. Solange der Pool potentieller Kunden groß genug ist, wird der Trichter von oben immer neu befüllt und es kommt eine ausreichende Menge an Käufern eines Produktes oder einer Dienstleistung heraus. Diese garantieren Umsatzzuwächse und die Unternehmen betreiben einen hohen Aufwand und investieren viel Geld, um den Nachschub an Prospects aufrecht zu erhalten. Kommt der Nachschub zum Erliegen, sinken die Verkäufe und das Wachstum stagniert. Aus diesem Grund wird der Pflege der Bestandskunden weniger Aufmerksamkeit gewidmet als der Gewinnung von Neukunden. Die beiden Abteilungen, die im Prozess von der Neukundengewinnung bis zur Kaufentscheidung zusammenarbeiten, sind Marketing und Sales. Der Service bleibt ausgeschlossen.
Die Abteilungen Marketing und Sales genießen beim Kunden oft geringes Vertrauen und bei fehlerhafter Kundenansprache bekommt er das Gefühl, dass ihm ein Produkt oder eine Dienstleistung aufgedrängt werden soll. Der Input an der Öffnung des Trichters kann saisonalen Schwankungen unterliegen, z.B. ist das Kundenaufkommen eines Online-Shops vor Weihnachten besonders groß. Dann kann sich die Sales-Abteilung aufgrund mangelnder Ressourcen nicht ausreichend um jeden einzelnen Kunden kümmern und Chancen zur dauerhaften Bindung eines Kunden werden vertan.
Das Flywheel-Modell knüpft an diese Schwächen an und fordert die Unternehmen zum Umdenken auf. Aus dem Trichter wird ein rundes Rad, in dem alle Bereiche gleich wichtig sind. Die Service-Abteilung wird in ihrer Bedeutung den Abteilungen Marketing und Sales gleichgestellt. Die Gleichberechtigung wird der Tatsache gerecht, dass Einkaufsprozesse heute einem anderen Ablauf folgen als in der Vergangenheit.
Durch das Überangebot an Informationen und die gute Vergleichbarkeit von Produkten im Internet wird die persönliche Weiterempfehlung zum entscheidenden Kriterium für die Entscheidung zum Kauf. Die Überlegung des Kunden folgt nicht selten folgendem Schema: Person XY kauft ein Produkt nicht leichtfertig und hat die Produkteigenschaften sowie das Preis-Leistungs-Verhältnis geprüft und wohl überlegt. Wenn er sich zum Kauf entschlossen hat, kann ich seinem Bespiel folgen. Oder: Wenn Person XY dort einkauft, werde ich ebenfalls dort kaufen.
Potentielle Kunden tendieren dazu, den einfachsten Weg zu gehen und Zeit zu sparen. Nicht der Preis ist das entscheidende Kriterium für einen Neu-Kauf bzw. wiederholten Kauf, sondern Vertrauen, guter Service und eine kontinuierliche, einheitliche Kundenansprache über alle Kanäle.
Im Mittelpunkt des Flywheels steht die Customer Experience. Nicht mehr das Produkt oder das Unternehmen, beispielsweise der Online-Shop, sondern der Kunde steht im Mittelpunkt. Ein Unternehmen umwirbt den Kunden ganzheitlich über den gesamten Customer Life Cycle. In allen Stufen des Kaufentscheidungsprozesses sowie in der After Sales-Phase ist es wichtig, die Berührungspunkte bzw. Touchpoints für die Kunden so einfach wie möglich zu gestalten. Arbeiten alle drei Abteilungen Marketing, Sales und Service effizient zusammen, dreht sich das Flywheel, sobald es genügend Schwung hat, mit nur geringem zusätzlichen Energieaufwand fast von selbst.
Das Flywheel umfasst die drei Phasen Anziehen, Analysieren und Beraten bzw. Attract, Engage und Delight.
In der Attract-Phase wird der Kunde durch persönliche Weiterempfehlung und guten Content auf das Unternehmen aufmerksam. Dadurch, dass nicht die an den Kunden herangetragene, als störend empfundene Werbung im Mittelpunkt des unternehmerischen Denkens steht, sondern das Anbieten von auf seine Persönlichkeit und seine Kaufentscheidung abgestimmten Inhalten mit Mehrwert, fasst der Kunde den intrinsisch motivierten Entschluss, an ein Unternehmen heranzutreten. Um sich optimal in die Zielgruppe hineinversetzen zu können, ist es sinnvoll, sogenannte Buyer Personas zu erstellen, deren Probleme und Bedürfnisse man genau kennt und von denen man weiß, welchen Trends sie folgen. Dies erleichtert die Bereitstellung von zielgerichtetem Content. Buyer Personas müssen in einem kontinuierlichen Prozess stets neu beurteilt werden, um auf veränderte Kundenbedürfnisse reagieren und den Content sowie die Kundenansprache anpassen zu können. Zum Content zählen beispielsweise Fotos, Infografiken, Blogs, Podcasts oder Videos sowie Whitepaper und E-Books. Unternehmensintern wird die optimale Mischung von Paid, Earned, Shared and Owned Content, der sogenannte PESO-Mix, festgelegt.
Ein solch positiver Start in eine Kundenbeziehung erleichtert den Aufbau eines langfristigen Vertrauensverhältnisses enorm. Der Vertrauensvorsprung, den ein Unternehmen durch persönliche Weiterempfehlung eines Bestandskunden genießt, ist selbstverständlich höher zu bewerten.
In der Engage-Phase wird der potentielle Kunde durch zielgerichtete Ansprache und Call-to-Actions zum tatsächlichen Kauf bewegt. Der Kauf muss unterstützt durch geeignete Tools für den Kunden unkompliziert und angenehm ablaufen, um eine positive Erfahrung zu garantieren. Nur unter dieser Voraussetzung ist er offen für weitere Angebote und Content-Inhalte des Unternehmens.
In der im Sales Funnel-Modell unterbewerteten Delight-Phase erfolgt die Pflege der Bestandskunden. Es geht es darum, aktiv an der Kundenbindung zu arbeiten. Der zufriedene Kunden soll das Unternehmen und das Produkt bzw. die Dienstleistung im Familien-, Freundes- oder Bekanntenkreis sowie bei Geschäftspartnern als Fürsprecher weiterempfehlen. Auf den Social Media-Plattformen fungiert er als vertrauensstiftender Follower und als Promoter für weitere Kundenkontakte. Das Feedback der Kunden hilft dem Unternehmen dabei, sich weiter zu entwickeln und seine Prozesse zu optimieren.
Wichtig ist es, sicherzustellen, dass der Kunde mit dem von Ihm erworbenen Produkt und der Dienstleistung rundum zufrieden ist. Nur begeisterte Kunden werden zu Promotern bzw. zu Schwungmasse und halten das Flywheel in Bewegung. Je größer die Schwungmasse bzw. die Anzahl begeisterter Kunden ist, die das Unternehmen weiterempfehlen, desto weniger zusätzliche Energie von Außen benötigt das Flywheel.
Die Kernaufgaben der Abteilungen Marketing, Sales und Service bleiben bestehen. Das Marketing generiert aus Prospects Leads bzw. Sales Qualified Leads, die im Idealfall betreut von der Sales-Abteilung Leistungen des Unternehmens beziehen. Der Service stellt durch eine gute Betreuung sicher, dass der Kunde begeistert ist und zum Promoter konvertiert. Viele Prozesse in gut strukturierten und effektiv arbeitenden Marketing-, Sales- und Service-Abteilungen werden der Flywheel-Methodik bereits gerecht. Einige Prozesse müssen verbessert und angepasst werden.
Die große Leistung des Flywheels besteht in einer nachhaltigen Anpassung der konkreten Umsetzung einer langfristigen Unternehmensstrategie an die Realität. Überholte, teils verhärtete Strukturen werden aufgebrochen, beispielsweise werden Teams interdisziplinär neu organisiert und gemeinsame Ziele festgelegt.
Service-Mitarbeiter können Marketing-Mitarbeitern wertvolle Informationen geben, die diese bei der Erstellung von Content unterstützen. Das Unternehmen implementiert neue Tools und automatisierte Prozesse, die aktuelle Anforderungen erfüllen und den Arbeitsalltag erleichtern. Nur durch eine gute Zusammenarbeit der einzelnen Abteilungen und Teams wird die Reibung im Flywheel auf ein Minimum heruntergesetzt. Je reibungsloser sich das Rad dreht, desto mehr zufriedene Kunden gewinnt ein Unternehmen und desto höher wird die Schwungmasse, die es von selbst in Bewegung hält. Das Unternehmen wächst.
Jedes Unternehmen, dass konsequent mit dem Flywheel als Inbound Marketing-Instrument arbeitet, erzielt durch die Optimierung der Customer Experience nachhaltige Erfolge bei der Transformation von begeisterten Bestandskunden zu Promotern und durch deren Weiterempfehlungen bei der Gewinnung von Neukunden. Die langfristige Content-Strategie als Voraussetzung für die erfolgreiche Generierung neuer Leads kann durch die Zusammenarbeit der drei Abteilungen Marketing, Sales und Service zielgerichtet umgesetzt werden. Modernes Marketing wird durch das Flywheel optimal unterstützt.
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2 Gedanken zu “Flywheel: So sieht modernes Marketing heute aus”