„Wein ist nicht nur Rot und Weiß“: Zehn Fragen an einen Diplom-Sommelier

[dropcap]S[/dropcap]üßwein gehört zu Käse, Weißwein zu Fisch, und überhaupt ist Wein nur was für besondere Anlässe. Oder doch nicht? Diplom-Sommelier Anton Kohlbacher, Lehrbeauftragter am WIFI Steiermark und Weinhändler mit 20 Jahren Erfahrung, kennt die Welt des Weins. Seine Devise lautet: Erlaubt ist, was schmeckt! Wir haben ihm zehn Fragen gestellt und durften feststellen, dass ein Diplom-Sommelier nicht nur über Wein bestens Bescheid wissen muss.

Herr Kohlbacher, wie wird man denn eigentlich Diplom-Sommelier?

Ich habe vor vielen Jahren die Ausbildung zum Diplom-Sommelier am WIFI Steiermark abgeschlossen und bilde heute an ebenjener Stelle junge Sommeliers aus. Der Kurs am WIFI ist eine wirklich umfangreiche High-End-Ausbildung – international gibt es kaum etwas Vergleichbares. Die Ausbildung ist in drei Module unterteilt, wobei das erste, der „Jung-Sommelier“, zum Hineinschnuppern dient. Die eigentliche Diplom-Ausbildung ist dann zweiteilig. Zuerst steht österreichischer Weinbau auf dem Kursplan. Danach gehen die zukünftigen Sommeliers über die Grenzen Österreichs hinaus und erkunden die internationale Weinwelt. Die Krönung ist der Abschluss zum Diplom-Sommelier.

Anton Kohlbacher ist WIFI-Lehrbeauftragter und seit 20 Jahren Weinhändler.

Muss man etwas Spezielles mitbringen um Diplom-Sommelier zu werden?

Früher war man sehr streng darauf bedacht, dass die Auszubildenden auch wirklich gastronomische Vorbildung haben. Heute hat sich das glücklicherweise geändert! Die Ausbildung am WIFI Graz ist nach wie vor gastronomisch geprägt, aber wir legen Wert darauf, dass auch Quereinsteiger auf ihre Kosten kommen. In den letzten Jahren buchen vermehrt Winzer die Ausbildung, als Ergänzung zu ihrem Fachwissen. Und, nicht zuletzt, gibt es auch Privatpersonen, die einfach gern mehr über Wein lernen wollen.

Kann man das auch hauptberuflich machen bzw. wie sieht das Berufsbild aus?

Der „klassische“ Sommelier ist eine vertiefende Spezialausbildung für Restaurantfachfrauen und -männer. Sie umfasst nicht nur den Einkauf und die richtige Wahl der Weine zum Essen, sondern auch die Weinkartengestaltung, Einkauf, Kalkulation und Lagerlogistik. All das lernen unsere KursteilnehmerInnen praxisnah.

Wo werden Diplom-Sommeliers „gebraucht“?

Hauptsächlich in der Gastronomie, Hotellerie und im Weinfachhandel. Winzer und Weinbauern nutzen die Ausbildung vor allem als Horizonterweiterung für den eigenen Betrieb. Das Thema „Wein“ ist nämlich weit umfangreicher als nur „Rot und Weiß“, sondern umfasst die gesamte Getränkekunde. Ein Diplom-Sommelier glänzt mit Fachwissen zu allen Arten von Weinen, gebrannten Getränken, Tee, Kaffee oder Cocktails. Kurz: Er weiß über alles Bescheid, das auf einer Getränkekarte zu finden ist.

Sind Diplom-Sommeliers gefragt?

Ja! Zwar gibt es in Österreich eher selten Jobs für „reine“ Sommeliers, aber als Fachmann bzw. Fachfrau im Weinbereich ist man als beratende Instanz in vielen Branchen sehr gefragt.

Hat sich das Wein-Trinkverhalten der ÖsterreicherInnen über die Jahre verändert?

Ich führe seit 20 Jahren eine Weinhandlung in Graz und habe viele Trends kommen und gehen gesehen. Was sich in den letzten Jahren aber sehr zum Positiven verändert hat, ist das grundsätzliche Weinverständnis der Kunden. Was unverändert geblieben ist, ist der Hang der ÖsterreicherInnen zum Patriotismus – österreichische Weine sind nach wie vor ganz oben in der Beliebtheitsskala. Zurecht, denn die Qualität heimischer Weine ist wirklich durchgehend sehr gut.

Aber natürlich ist auch die Wein-Branche dem einen oder anderen Wandel unterworfen. Beispielsweise wird die Bio-Zertifizierung von Weinen immer gefragter. Naturweine oder orange Weine sind zwar eher Nischenprodukte, haben aber auch durchaus ihre Nachfrage. Und jetzt im Sommer stehen Rosé-Weine wegen ihrer Leichtigkeit und Spritzigkeit wieder hoch im Kurs.

Wie erkennt man denn eigentlich einen „guten Wein“?

Es kommt darauf an, wie man „gut“ definiert. Einfach gesagt: Ein guter Wein ist ein Wein, der mir schmeckt. Wein hat inzwischen viel von seinem „abgehobenen“ Image verloren und auch die Frage, wozu man Wein trinken „darf“ und wozu nicht stellt sich nicht mehr so häufig. In Österreich haben wir eine hohe Standardqualität in allen Weinstilen. Das bedeutet, dass man sich beim Trinken darauf verlassen kann, dass er gewisse sensorische wie analytische Merkmale erfüllt und damit „gut“ ist. Alles andere ist Geschmackssache!

Gibt es noch Regeln beim Wein trinken, die es zu beachten gilt (z.B. Weiß immer vor Rot)?

Solche Regeln haben eine gewisse Berechtigung, weil sie auf Erfahrungen beruhen. Aber: Regeln können im besten Fall Leitlinien sein (z.B. bei der richtigen Wahl für Speisen), dürfen aber nicht einschränken! Das predigen wir auch unseren KursteilnehmerInnen: Es gibt Kombinationen, die super zusammenpassen, andere dafür gar nicht. Aber Experimente sind natürlich erlaubt – und ein Fachmann hat dafür auch ein paar „Tricks“, auf die er zurückgreifen kann. Zum Beispiel, indem er mit der Serviertemperatur spielt. Kleine Veränderungen bringen oft großartige Ergebnisse.

Was kann man einem „Otto-Normal-Weintrinker“ an Tipps mitgeben, wenn es um die richtige Weinwahl geht?

Wenn man auf der ganz sicheren Seite sein will, ist eine Beratung im Fachhandel immer von Vorteil. Ein/e Fachhändler/in kann gute Tipps geben, weil er/sie einfach mehr Erfahrung mitbringt – und im besten Fall natürlich eine Sommelier-Ausbildung besitzt, die das Wissen noch weiter vertieft.

Ihr Lieblingswein?

(lacht) Dafür ist die Weinwelt zu groß! Das ist eine Erkenntnis aus 20 Jahren Arbeit im Weinhandel: Je länger ich das mache, desto weniger kann ich sagen, das ist „mein Wein“. Die Weinwelt bietet jedes Jahr etwas Neues – das macht es einerseits schwierig, aber auch interessant. Denn jeder Jahrgang ist anders und wartet nur darauf, entdeckt zu werden.

YouTube

Mit dem Laden des Videos akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von YouTube.
Mehr erfahren

Video laden

Auf den Geschmack gekommen?

Foto: WIFI Steiermark, Adobe Stock – unpict

2 Gedanken zu “„Wein ist nicht nur Rot und Weiß“: Zehn Fragen an einen Diplom-Sommelier

Kommentar verfassen